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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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befreien?« fragte ich. »Mit Katla kann er euch wieder unterdrücken, genauso wie jetzt.« »Er hat uns ja eine Mauer geschenkt, die uns schützt, vergiß das nicht«, sagte Orwar. »Und Tore, die sich vor Ungeheuern verschließen lassen! So fürsorglich war er!« Im übrigen brauchte ich Tengil nicht länger zu fürchten, meinte Orwar. Noch am selben Abend würden er und Jonathan und Sophia mit einigen Gefährten in Tengils Burg eindringen, die Leibwache übermannen und mit ihm abrechnen, ehe er von dem Aufstand im Tal etwas gehört hätte. Und Katla werde in ihrer Höhle angekettet bleiben, bis sie so schwach und ausgehungert sei, daß man sie töten könne. »Eine andere Art, dieses Scheusal umzubringen, gibt es nicht«, sagte Orwar.
    Dann sprach er wieder davon, wie rasch das Tal von allen Tengilmännern befreit werden müsse, und da sagte Jonathan: »Befreien? Du meinst töten?« »Ja, was denn sonst?« sagte Orwar.
    »Ich kann aber nicht töten«, sagte Jonathan, »das weißt du doch, Orwar!«
    »Nicht einmal, wenn es um dein eigenes Leben geht?« fragte Orwar.
    »Nein, nicht einmal dann«, sagte Jonathan.
    Das konnte Orwar nicht verstehen, und auch Matthias konnte es kaum begreifen,
    »Wenn alle wären wie du«, sagte Orwar, »dann würde das Böse ja bis in alle Ewigkeit herrschen!«
    Aber da sagte ich, wenn alle wären wie Jonathan, dann gäbe es nichts Böses.
    Mehr sagte ich an diesem Abend nicht. Erst als Matthias kam, um mir gute Nacht zu sagen, flüsterte ich ihm zu: »Ich hab solche Angst, Matthias!«
    Und Matthias streichelte mich und sagte: »Ich auch!« Jedenfalls mußte Jonathan Orwar versprechen, im Kampfgetümmel umherzureiten, um die anderen zu dem zu ermutigen, was er selber nicht tun konnte und wollte. »Die Menschen im Heckenrosental müssen dich sehen«, sagte Orwar. »Sie müssen uns beide sehen.«
    Da sagte Jonathan: »Ja, wenn ich muß, dann muß ich.« Doch im Schein der einzigen kleinen Kerze, die in der Küche brannte, konnte ich sehen, wie blaß er war. Nach der Rückkehr aus der Katlahöhle hatten wir Grim und Fjalar bei Elfrida im Wald zurücklassen müssen. Sophia sollte sie am Tag des Kampfes, wenn sie durch das Große Tor geritten kam, mitbringen, so war es beschlossen worden. Was ich zu tun hatte, war auch bestimmt worden. Ich sollte nichts tun, nur abwarten, bis alles vorbei war. Das hatte Jonathan gesagt. Ich sollte mutterseelenallein in Matthias’ Küche hocken und warten. In dieser Nacht schlief keiner viel. Und dann kam der Morgen.
    Ja, dann kam der Morgen und mit ihm der Tag des Kampfes. Oh, wie mir an diesem Tag das Herz weh tat. Ich sah und hörte mehr als genug von dem Blutvergießen und den Schreien, denn sie kämpften auf dem Abhang vor dem Matthishof. Und dort sah ich auch Jonathan umherreiten: Der Sturm zerrte an seinem Haar, und er war umgeben von Kampfgetümmel, sausenden Schwertern, surrenden Speeren, fliegenden Pfeilen und Schreien, immer wieder Schreien. Und ich sagte zu Fjalar, wenn Jonathan stirbt, dann will auch ich sterben.
    Ja, Fjalar war bei mir in der Küche. Es brauchte niemand zu wissen, aber ich mußte ihn einfach bei mir haben. Allein konnte ich nicht sein, das ging nicht. Auch Fjalar sah durch das Fenster, was draußen auf dem Hang geschah. Und er wieherte. Ob er zu Grim hinaus wollte oder Angst hatte wie ich, weiß ich nicht.
    Denn Angst hatte ich ... Angst, Angst! Ich sah Veder, von Sophias Speer getroffen, zu Boden sinken, sah, wie Kader Orwars Schwert zum Opfer fiel, Dodik ebenfalls und manche andere, die links und rechts stürzten, und mitten unter ihnen ritt Jonathan, der Sturm zerrte an seinem Haar, und er wurde blasser und blasser, und das Herz tat mir immer mehr weh. Und dann kam das Ende!
    Viele Schreie hörte ich an diesem Tag im Heckenrosental, einen aber, der keinem anderen glich.
    Mitten im Kampf und durch den Sturm hindurch dröhnte eine Kriegslure, und ein Ruf ertönte: »Katla kommt!« Und dann kam der Schrei. Katlas Hungerschrei, den alle so gut kannten. Da sanken die Schwerter und die Speere und Pfeile, und die Kämpfenden konnten nicht mehr kämpfen. Denn sie wußten, daß es keine Rettung gab. Nur das Tosen des Sturms und Tengils Kriegslure und Katlas Schreie waren nun im Tal zu hören, und Katla spie Feuer und tötete alle, auf die Tengil zeigte. Er zeigte und zeigte, und sein grimmiges Gesicht war dunkel vor Bosheit. Jetzt war für das Heckenrosental das Ende gekommen, das wußte ich. Ich wollte es nicht sehen, ich wollte

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