Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Innern des Hauses, wo Shah sich gegen übermächtige Feinde zur Wehr setzte, um Lena ein paar Sekunden mehr zu verschaffen, und ich fühlte Lenas Qual, als ihre eigene Kraft sie im Stich ließ. Ich teilte ihre Furcht, ihre Verzweiflung angesichts des Todes ihres Baums, aber auch die Verlockung, die von diesem Tod ausging. Ein Teil von ihr hatte damals aufgeben, in den Baum gehen und nie mehr herauskommen wollen.
»Es tut mir leid!« , flüsterte ich. Zu Lena. Und ebenso an Nidhi Shah gewandt.
»Ich hab dir gesagt, du sollst die Klappe halten!«
Als Lena ihre Aufmerksamkeit auf mich konzentrierte, berührte ich neue Erinnerungen. Ich sah mich selbst, wie sie mich wahrnahm, vor Erregung förmlich glühend, als ich den gefallenen Automaten bei Huberts Jagdhütte studierte. Ich beobachtete, wie meine Leidenschaft und Freude sich in Empörung verwandelte, als ich erkannte, was Gutenberg getan hatte.
Ich sah meinen Kummer über Rays Tod, als wir seine Wohnung untersuchten, und meine erbärmlich durchsichtigen Versuche, diesen Kummer und Schmerz für mich zu behalten, indem ich eine Aura der Stärke nach außen zu vermitteln versuchte.
Ich sah alles. Lenas früheste Erinnerung, als sie aus einem Baum taumelte, ohne zu wissen, wer und wo sie war. Ihr erster Kuss mit Nidhi Shah. Ein Ausflug, den sie nach Wyoming gemacht hatten, damit Lena den Devils Tower besteigen konnte, und die Nächte, die sie gemeinsam in ihrem Zelt verbracht hatten.
Ich hatte schon immer gewusst, dass Lena stark genug war, um mich wie einen Zweig zu zerbrechen, doch hatte ich nie ihre Stärke als Mensch begriffen. Sie verstand genau, was sie war. Sie wusste, dass sie Nidhi Shah eines Tages verlieren würde, und wenn das geschah, würde sie sich ebenfalls verlieren. Sie wusste das, und sie hatte keine Angst.
Selbst der Mord an ihrem Baum und die Entführung ihrer Geliebten hatten sie nicht gebrochen. Sie hatte so tief getrauert, wie es jeder getan hätte, aber wie Shah verwandelte sie diese Trauer in eine Quelle der Kraft. Sie war zu mir gekommen, entschlossen zu leben und zu entscheiden, was aus ihr werden sollte.
Während ich Lena Greenwood erforschte, tat sie das Gleiche, denn sie sah mich von innen.
»Moment mal, du warst auf dem Mond ?« Ich spürte Lenas Verblüffung und Lachen, ihren Stolz, als sie diese Erinnerungen noch einmal mit mir durchlebte, als sie das Entzücken über einen wahr gewordenen Kindheitstraum mit mir teilte und mein Staunen, als ich auf unsere Welt über mir blickte. Meine Ehrfurcht vor dem, was ich getan hatte, und meine Erregung, als mir klar wurde, wie viel mehr Zauberei ich noch vollbringen konnte.
Es war in diesem Moment, als ich mich durch ihre Augen sah, als Lena tiefer griff und zog .
Ohne nachzudenken, klammerte ich die Finger um ihre Hand. Meine richtigen Finger: Fleisch und Blut und kalt wie Winterschnee, als sie die Leere des Automatenkörpers verließen und in die Nachtluft herauskamen.
Ein paar Sekunden lang existierte ich in zwei Körpern zugleich. Der Automat wankte, und mein Bewusstsein machte einen Ruck nach hinten, weil es instinktiv versuchte, mein Gleichgewicht wiederzuerlangen.
»Oh nein, das lässt du schön bleiben!« Lena verstärkte ihren Griff so sehr, dass meine Knöchel knackten. Sie zog fester.
Metallene Lettern fielen wie Regen. Schmerz explodierte in meiner Seite. Keuchend fiel ich in Lenas Arme. Blut floss an meiner Seite herab. Ich war tödlich verwundet, als ich in den Automaten gekrochen war, und die Verletzung war geblieben. Ich merkte, wie sie mich hochhob und zu der Pritsche trug. Ich rollte mich zu einem Ball zusammen, umklammerte meine Seite und konnte an kaum etwas anderes denken als den Schmerz.
Er breitete sich von der Stelle aus, wo Lena mich gestochen hatte. Ich bekam keine Luft; Lenas Bokken musste einen Lungenflügel durchstoßen haben.
»Nicht bewegen!« Lena stand über mir und untersuchte das Metallschwert, das Gutenberg dagelassen hatte. Ich zeigte auf meine Wunde und stellte pantomimisch dar, was getan werden musste. Sie nahm das Heft in die eine und die Klinge in die andere Hand und richtete die Spitze auf die Mitte des Blutes, das sich an meiner Seite sammelte.
Ich schloss die Augen. Ich wusste, dass das Schwert erschaffen worden war, um zu heilen, aber das hieß nicht, dass ich zusehen wollte, wie sie mich damit aufspießte.
Wärme breitete sich in meinem Brustkorb aus. Ich schnappte nach Luft und füllte meine Lunge zum ersten Mal seit einer Zeit, die
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