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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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1.
    Eine Trompete wurde zum Angriff geblasen, gefolgt von einem dumpfen Trommeln. Elisabeth lief zum Fenster und schaute hinaus. Der Marktplatz lag friedlich in der Morgensonne, der Brunnen plätscherte, allerlei Volk war unterwegs.
    Noch einmal ertönte das Trompetensignal, das Trommeln wurde heftiger. Und dann kamen sie von überallher, ein Wald aus Piken, von jeder Gasse und aus jedem Winkel. Nein, sagte sie sich, das kann nicht sein, das ist nur ein Alptraum. Die kaiserlichen Soldaten waren da, sie fielen über Männer, Frauen und Kinder her, stachen mit ihren Piken auf sie ein, Blut spritzte, markerschütternde Schreie ertönten. Die Söldner schleppten Geschirr, Möbel und Bettzeug aus den Häusern, legten Feuer und drohten den Bewohnern, ihnen die Därme herauszureißen, wenn sie die Verstecke ihrer Wertsachen nicht verrieten. Und dann hatten die Soldaten Elisabeth am Fenster entdeckt. Sie rannten zur Tür, stießen sie auf und polterten die Treppe herauf. Elisabeths Herz klopfte wie ein Hammer gegen die Rippen. Wo sollte sie sich verstecken? Was würden sie mit ihr anstellen? Die Tür flog mit einem Krachen auf, eine Horde von Männern drängte herein. Elisabeth stand wie fest gewurzelt, konnte sich nicht rühren. Der vorderste Mann, mit einem wilden Bartgestrüpp vor dem Mund, hob seine Pike, von der Blut herabtropfte. Vor Elisabeths Augen drehte sich alles. Und dann stach der Soldat zu. Elisabeth spürte einen brennenden Schmerz im Bauch, sie griff dorthin, Blut rann an ihren Händen herab, es roch süß und metallisch. Sie fiel, ihr Körper schlug auf den Boden. Elisabeth riss die Augen auf. Die Männer verschwanden wie in einem Nebel, es wurde still. Sie rieb sich die Augen.
    Der Geruch nach Feuer und Blut stand ihr noch in der Nase. Die Schmerzen im Bauch ebbten langsam ab. Elisabeth schlug die Decke zurück, erhob sich von der Strohmatratze, lief zum Fenster und stieß den Laden auf. Kalte Luft strömte herein. Piken und Soldaten waren verschwunden. Die kleine Stadt Calw, von Mauern umschlossen und mit Türmen bewehrt, erwachte zum Leben. Die Sonne war hinter Nebelwolken versteckt, ein Hahn krähte sich die Seele aus dem Leib. Handwerker überquerten den Platz auf dem Weg zur Arbeit. Im Marktbrunnen strömte das Wasser wie eh und je, und aus den Häusern drang das Klappern von Geschirr. Elisabeth rieb sich mit den Fingern über die Stirn, um den bösen Traum zu verscheuchen. Mochte er nur niemals Wirklichkeit werden! Sie holte ein Wollkleid aus der Truhe neben dem Bett, zog es mit ein wenig zittrigen Fingern an und band ihre langen Haare zur Seite. Elisabeth verließ die Kammer und lief die knarrenden Stufen der Treppe hinunter. Aus der Küche hörte sie die Magd mit Töpfen hantieren. Elisabeths Mutter gab Anweisungen für die Tagesarbeit. Elisabeth ging durch den Flur hinaus in den Hinterhof, um sich das Gesicht in der Wassertonne zu waschen. Erfrischt kehrte sie in die Küche zurück und begrüßte Mutter und Magd. Elisabeths Vater, Mesner des protestantischen Städtchens, ihr Bruder Lukas und ihre Schwester Agnes betraten hintereinander die Küche. Zusammen mit Elisabeth und der Mutter ließen sie sich an dem blank gescheuerten Holztisch nieder. Die Magd stellte einen Topf mit Haferbrei auf den Tisch und setzte sich ebenfalls dazu. Der Vater schaute Agnes tadelnd an, als sie zu ihrem Silberlöffel griff. Mit seinem Dreiecksbart und dem Spitzenkragen über der schwarzen Soutane sah er dem Superintendenten der Stadt, Johannes Valentin Andreä, recht ähnlich.
    Der Vater senkte den Kopf, faltete die Hände, die anderen taten es ihm nach. Er betete:»O Herr, öffne meine Lippen.
    Und mein Mund soll sprechen mein Lob.
    Beschütze uns vor allem Übel, das da kommen soll.
    Lobet den Herrn.
    Der Name des Herrn sei gelobt. Amen.«
    »Amen«, wiederholten die anderen, bevor sie sich dem heißen Brei zuwendeten. Eine Weile herrschte Stille, derweil gedämpftes Klappern von Löffeln erklang. Der Vater hatte das Frühmahl beendet und schob seine Schüssel aus bunter Keramik von sich.
    »Liebe Familie«, begann er seine tägliche Ansprache. »Wie wir alle wissen, haben die Kaiserlichen die Schlacht bei Nördlingen gewonnen. Ich bin in großer Angst und Sorge um uns alle, denn danach haben sie die Städte Göppingen und Schorndorf eingenommen und befinden sich jetzt in Stuttgart. Sie schonen die Einwohner nicht, sondern foltern und quälen sie, um die Verstecke der Reichtümer aus ihnen herauszupressen. Sie

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