Die Bucht der schwarzen Perlen
Beruhigungszigarette rauchten. Auf Eileens Nachttisch standen zwei Gläser und eine Flasche Champagner.
Stan Wilson war ein Gentleman. Er tobte nicht, stürzte sich nicht auf das Liebespaar, sondern trat nur an das Bett heran.
»Er hat dich vergewaltigt, nicht wahr?« fragte er und zog dabei eine Pistole aus dem Hosengürtel. »Und du konntest dich nicht wehren! Ist es so?«
»Ja, Stan. So war es.« Eileens Stimme klang heiser, aber die Worte waren deutlich zu verstehen. Ron, an ihrer Seite, fühlte sich plötzlich wie gelähmt. »Bitte, steck die Waffe weg«, bat Eileen ihren Verlobten.
Stan gehorchte, schob die Pistole wieder in den Hosenbund und winkte Ron zu. »Kommen Sie aus dem Bett, Sie Dreckskerl!« sagte er dabei, ebenso ruhig wie vorher. »Wir gehen in den Garten und sprechen von Mann zu Mann darüber. Nein, ich werde Sie nicht erschießen. Eine Patrone kostet sechzig Cent … und die sind Sie nicht wert! Ich warte draußen.«
Stan Wilson verließ die Wohnung, und Ron zog sich an, ohne auch nur noch einen Blick auf Eileen zu werfen.
Sie machte den Versuch, etwas zu sagen, aber er drehte ihr den Rücken zu, verknotete sein Halstuch und ging wortlos hinaus.
Im Garten lief Stan Wilson unruhig hin und her. Als er Ron aus dem Haus treten sah, zog er die Jacke aus und warf sie über einen Ast.
»Wenn Sie kein Feigling sind, machen wir das jetzt unter uns aus. Und dann verschwinden Sie für immer!«
Es waren für lange Zeit die letzten klaren Worte, die Stan Wilson sprach. Wenn ein Gegner Kung-Fu beherrscht und man selbst nur seine Fäuste einsetzen kann, ist ein Zweikampf sinnlos.
Stan merkte es, als ihn der erste Tritt voll an der Brust traf und er sich mehrmals überschlug, ehe er zu Boden ging. Ein Schmetterlingsschlag von zwei Handkanten lähmte seine Arme, er hörte die Oberarmknochen brechen, und als er das zweitemal versuchte, hochzukommen, traf ihn eine Schuhspitze genau auf die Kinnspitze. Mit dem Gefühl, sein Kopf sei explodiert, fiel er in Bewußtlosigkeit.
Noch in dieser Nacht machte sich Ron Edwards auf den Weg nach Auckland, mit einem Motorrad, das dem Schafscherer Phips gehörte. Im Hafen band er einen Zettel mit Phips' Namen und Adresse an den Lenker und schrieb dazu: »Fluch ruhig, aber verzeih mir. Ich konnte nicht anders. Leb wohl, Phips, wir sehen uns nie wieder.«
Auf dem Frachter Debby Burger fand er einen Job als Küchenhilfe. Er erhielt keinen Cent Lohn, nur das Essen war frei und das Schlafen in einer Hängematte zwischen den Ladebäumen.
Als der Frachter den Hafen von Auckland verließ und Rons Traum Neuseeland im Morgendunst verschwand, schwor sich der Mann, nie mehr, nie wieder im Schoß einer Frau seine Freiheit aufzugeben. Und den bohrenden Gedanken, nach Köln zu telegrafieren und zurückzukehren in die Enge seiner Heimat, nannte er jetzt eine Verrücktheit, die ihn nicht ein zweitesmal überkommen sollte.
Tonga!
Ja, nun war er auf Tonga, hatte sich von der Crew des Frachters verabschiedet und bummelte ziellos durch die Straßen der Stadt. Im Tonga-Hua Chinese Restaurant trank er ein sündhaft teures Bier und aß eine Portion Hühnerfleisch mit Glasnudeln und Schwammpilzen. Später ging er die Hauptstraße, die Taufa'ahau Road hinunter, blieb vor dem deutschen Konsulat stehen und betrachtete das ovale Staatsschild. Darauf betrat er die eigenwillig gebaute Catholic Basilica, setze sich in eine Bank und sagte leise zu sich:
»Was nun? Jetzt bist du in einem der letzten Paradiese der Südsee, ein Flüchtling, der einen ehrenhaften Mann vielleicht zum Krüppel geschlagen hat, sitzt in einer Kirche, was früher nie vorgekommen wäre, und fühlst dich saumäßig. Die absolute Freiheit … was ist das? Wo ist sie? O Scheiße!« Und dann verbeugte er sich vor der Statue der Maria mit dem Jesuskind im Arm und sagte lauter: »Verzeihung, meine Dame, ich hätte mich wohl besser draußen abreagiert.«
Bis zum frühen Abend besichtigte er die Stadt Nuku'alofa. Er sah dem Fußballspiel von zwei Schülermannschaften der Tupou High School zu, wanderte bis zum Friedhof und staunte über die Gräber, die mit in die Erde gesteckten Flaschen umrahmt waren, als lägen hier Tausende von Säufern. Dann sah er sich die pompösen Königsgräber an der Laifone Road an. Als es dämmerte, fragte er im Tonga Visitors Bureau an der Vuna Road, gleich dem Meer gegenüber, wo man ein gutes, aber billiges Zimmer bekommen könnte.
Die hübsche, schwarzäugige Tongalesin hinter dem Tresen musterte
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