Die Bucht der schwarzen Perlen
zu bitten, daß er mit dem nächsten Flugzeug zurückfliegen konnte. Erster Klasse, mit drei Menüs, Champagner, Whisky oder Wodka, Schlafsessel und Kopfhörer mit sechs Programmen, einem Videofilm auf der Bordleinwand und betreut von zauberhaften Stewardessen, jede eine polynesische Schönheit.
Auf Neuseeland, das er ein ›Land wie Samt und Seide‹ nannte und wo er fast bereit gewesen wäre, wieder seßhaft zu werden, war ihm etwas zugestoßen, das ihn beinahe aus der Bahn geworfen hätte.
Natürlich war eine Frau daran schuld – wie konnte es anders sein? Eileen hieß sie, Eileen Marchand, Tochter eines der größten Schaffarmer auf Neuseeland. Siebzig Millionen Schafe gibt es auf Neuseeland, und ausgerechnet bei einem Mann, dem davon genau 203.405 Schafe gehörten, fand Ron Arbeit und lernte das Schafscheren.
Er war kein schneller Scherer, der Weltmeister im Schafscheren schaffte es in knapp einer Minute, so ein dickwolliges Tier völlig nackt wieder laufen zu lassen, und damit konnte sich Ron nicht messen. Aber er tat seine Arbeit gut, vertrug sich mit den anderen Farmarbeitern und sang abends Lieder zur Gitarre. Direkt romantisch war es: das flackernde und funkensprühende Lagerfeuer, um sie herum die samtlaue Nacht, der Mond, der auf dem Kopf stand, das weite, hügelige Land mit seinen Baum- und Buschgruppen, das an die Toskana erinnerte. Hier konnte man leben, weit, weit weg von allen europäischen oder deutschen Problemen, die von hier betrachtet so winzig und unwichtig waren, daß die Zeitungen sie nur am Rande erwähnten. Wen kümmerte es hier, daß ein Politiker einen anderen Politiker beschimpfte … in Deutschland wäre es eine balkendicke Schlagzeile gewesen. Die Welt war weit und schön – das war's, was Ron immer gesucht hatte!
Und so, am Lagerfeuer auf seiner Gitarre spielend und mit einer angenehmen Stimme singend, sah ihn Eileen zum ersten Mal. Sie lehnte sich an einem Baum, wartete das Ende des Songs ab und klatschte dann in die Hände.
»Bravo!« rief sie, noch vom Schatten des Baumes verdeckt. »Das klingt besser als im Radio oder Fernsehen. Sie sollten mal im Sender Auckland vorsingen.«
»Der Gedanke wäre schrecklich!« rief Ron zurück.
»Warum?«
»Dann könnte ich nicht mehr so leger herumlaufen mit Hose, Hemd und Halstuch.«
»Ist das Ihr ganzes Vergnügen?«
»Zur Zeit – ja! Andere Freuden haben sich noch nicht ergeben.«
»Halt's Maul«, flüsterte ein Schafscherer neben ihm. »Das ist die Tochter des Chefs! Verlobt mit einem Architekten. Bring dich nicht in Schwierigkeiten.«
Eileen trat in den Feuerschein, und sie kam ihm wie ein Engel vor, der vom Nachthimmel niedergeschwebt war. Ron ließ auf seiner Gitarre einen vollen Akkord erklingen, sprang auf und verbeugte sich.
Obgleich er spürte, daß sein Nebenmann ihm in die Wade trat, sagte er: »Wer hätte das gedacht! Für Sie würde ich Halstuch, Hemd und Hose gern ausziehen.«
Ihr Lachen war hell und aufreizend zugleich. Umgeben vom flackernden Schein des Lagerfeuers schien ihr Körper selbst eine große Flamme zu sein. Ron Edwards stützte sich auf seine Gitarre und hielt dem Blick ihrer glitzernden blauen Augen stand.
»Singen Sie noch einmal … bitte«, sagte sie.
»Ein Liebeslied?«
»Was Sie wollen. Ich möchte nur Ihre Stimme hören.«
So fing es also mit Ron und Eileen an. Und auch die Reihenfolge stimmte: Erst löste sie sein Halstuch, dann zog sie ihm das Hemd über den Kopf, und in ihrem Schlafzimmer, in einem Spitzentrakt der Villa, befreite sie ihn vom Rest seiner Kleidung.
Herrliche Wochen verbrachten sie miteinander. Es war ein Rauschzustand, ein Himmelsjauchzen und eine selige Müdigkeit, ein warmer Strom von Körper zu Körper und ein Einschlafen in leidenschaftlicher Umklammerung.
Ron Edwards beschloß sogar, in Neuseeland zu bleiben, ein neues bürgerliches Leben zu beginnen und die Jagd nach der absoluten Freiheit einzustellen – Eileen zuliebe. Sie hatte ihn verzaubert, und wenn er sie geliebt hatte und ihre zärtlichen Finger über seine Haut streichelten, fragte er sich immer wieder: Junge, was ist nur mit dir geschehen? Verwandelt bist du … aus einem Wolf ist ein kleiner Hund geworden, der seinen Kopf in den Schoß seiner Herrin drückt.
Bis Stan Wilson kam. Stan, der Architekt aus Wellington. Stan, der Verlobte.
Er kam plötzlich, unangemeldet, hatte natürlich einen Schlüssel zu Eileens Wohnung und betrat das Schlafzimmer, als beide nackt auf dem Bett lagen und eine
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