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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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juckte, und seine schlammigen Augen hatten Mühe, offen zu bleiben. Neben den Geschenken stand eine leere Suppentasse.
    Sie sagten nicht Hallo.
    Sie fühlten sich durch eine unsichtbare Grenze getrennt.
    Die Tür hatte geknarrt, als das Mädchen hereingekommen war und sich vor ihn hingestellt hatte. Nun schaute sie auf die Tasse. »Hat Mama dir die Suppe eingeflößt?«
    Er nickte, zufrieden, müde. »Aber sie war sehr gut.«
    »Mamas Suppe? Wirklich?«
    Es war kein Lächeln, das er ihr schenkte. »Danke für die Geschenke.« Vielmehr ein schmaler Spalt in seinem Mund. »Danke für die Wolke. Dein Papa hat mir die Sache näher erklärt.«
    Nach einer Stunde versuchte es Liesel mit der Wahrheit. »Wir wussten nicht, was wir hätten machen sollen, wenn du gestorben wärst, Max. Wir...«
    Es dauerte nicht lange. »Du meinst, wie ihr mich losgeworden wärt?«
    »Es tut mir leid.«
    »Nein.« Er fühlte sich nicht beleidigt. »Ihr habt ja recht.« Mit schwachen Fingern spielte er mit dem Ball. »Ihr hattet recht, so zu denken. In eurer Situation ist ein toter Jude genauso gefährlich wie ein lebendiger, wenn nicht noch schlimmer.«
    »Ich habe auch geträumt.« In allen Einzelheiten erzählte sie ihren Traum, wobei sie den Zinnsoldaten fest umklammert hielt. Sie wollte sich schon wieder entschuldigen, als Max sie unterbrach.
    »Liesel.« Er bat sie, ihn anzuschauen. »Du darfst dich nie bei mir entschuldigen. Ich bin derjenige, der sich entschuldigen müsste.« Er zeigte auf die Dinge, die sie ihm gebracht hatte. »Schau dir das an. Diese Geschenke.« Er nahm den Knopf in die Hand. »Und Rosa sagt, du hast mir zwei Mal am Tag vorgelesen, manchmal sogar drei Mal.« Jetzt schaute er die Vorhänge an, als ob er durch sie hindurch nach draußen sehen könnte. Er setzte sich ein bisschen aufrechter hin und verstummte ein Dutzend lautloser Sätze lang. Beklommenheit schlich sich in sein Gesicht, und er legte ein Geständnis ab. »Liesel?« Er rückte leicht nach rechts. »Ich habe Angst«, sagte er. »Ich habe Angst, wieder einzuschlafen.«
    Liesel fasste einen Entschluss. »Dann lese ich dir vor. Und ich gebe dir eine Ohrfeige, wenn du anfängst einzudösen. Ich klappe das Buch zu und schüttele dich, bis du wieder wach bist.«
    An diesem Nachmittag und bis in die Nacht hinein las Liesel Max Vandenburg vor. Er saß im Bett und absorbierte die Worte, diesmal im Wachzustand, bis kurz nach zehn Uhr. Als Liesel mit dem Traumträger eine kurze Pause machte, schaute sie über den Buchrand und sah, dass Max eingeschlafen war. Ängstlich stupste sie ihn an. Er wachte auf.
    Noch drei Mal schlief er ein. Zwei Mal weckte sie ihn.
    In den nächsten vier Tagen wachte er jeden Morgen in Liesels Bett auf, dann neben dem Kamin und schließlich, Mitte April, im Keller. Seine Gesundheit hatte sich verbessert, der Bart war weg, und er hatte wieder etwas mehr Fleisch auf den Rippen.
    In der Himmelstraße 33 herrschte große Erleichterung. Draußen begann die Situation unsicher zu werden. Ende März wurde Lübeck von einem Bombenhagel getroffen. Als Nächste; war Köln an der Reihe und schon bald viele andere deutsche Städte, auch München.
    Ja, mein Vorgesetzter schaute mir über die Schulter.
    Erledige dies, erledige das.
    Die Bomben kamen - und ich mit ihnen.
    das tagebuch des todes: köln
    Die gefallenen Stunden des 30. Mai.
    Ich bin sicher, dass Liesel Meminger tief und fest schlief, als mehr als tausend Bomber auf Köln zuflogen. Für mich waren etwa fünfhundert Menschen das Ergebnis. Fünfzigtausend weitere taumelten obdachlos durch die geisterhaften Schutthaufen, versuchten herauszufinden, wo welche Straße gewesen war und wem welche zersplitterte Häuserruine gehört hatte.
    Fünfhundert Seelen.
    Ich trug sie wie Koffer, warf sie mir über die Schulter. Lediglich die Kinder nahm ich in die Arme.
    Als ich schließlich fertig war, färbte sich der Himmel gelb, wie brennende Zeitungen. Wenn ich genau hinsah, konnte ich Worte erkennen, Überschriften, Kommentare über den Fortgang des Krieges. Wie gerne hätte ich das alles niedergerissen, hätte den zeitungsgelben Himmel zusammengeknüllt und weggeworfen. Meine Arme schmerzten, und ich konnte es mir nicht leisten, mir die Finger zu verbrennen. Ich hatte noch so viel zu tun.
    Wie man erwarten konnte, starben etliche Menschen sofort. Bei anderen dauerte es länger. Es gab viele Orte, die ich aufsuchen musste, viele Himmel, die ich betrachtete, viele Seelen, die ich einsammelte, und als ich

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