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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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zuriefen.
    Um halb fünf hatte sich die Luft merklich abgekühlt.
    Die Leute machten Scherze, dass man sich aufwärmen müsse. »Zu mehr ist dieser Schund doch sowieso nicht nütze.«
    Man schaffte alles auf Karren herbei. Die Ladung wurde in der Mitte des Marktplatzes abgeworfen und mit etwas süßlich Riechendem übergössen. Bücher und Papier und andere leichte Gegenstände rutschten oder rollten von dem Haufen und wurden wieder hinaufgeworfen Aus einiger Entfernung wirkte das Ganze wie ein Vulkan. Oder wie etwas Groteskes, etwas Überirdisches, das wundersamerweise mitten in der Stadt gelandet war und schnellstmöglich ausgelöscht werden musste.
    Der Geruch der Flüssigkeit, mit der man den Haufen getränkt hatte, kroch der Menge entgegen, die man zwang, gebührenden Abstand zu halten. Auf dem Marktplatz, den Stufen zum Rathaus und auf den Dächern ringsherum befanden sich gut und gerne tausend Menschen.
    Als Liesel sich ihren Weg durch die Menge zu bahnen versuchte, verleitete sie ein Knistern zu der Annahme, dass man das Feuer bereits angezündet hätte. Sie haben ohne mich angefangen! Aber das stimmte nicht. Das Geräusch entsprang den wie elektrisiert wartenden Menschen, deren innere Spannung mit jeder Sekunde wuchs.
    Obwohl etwas in ihrem Innern ihr sagte, dass all dies ein Verbrechen war - immerhin waren ihre drei Bücher ihre kostbarsten Besitztümer -, war sie entschlossen, sich das Feuer anzusehen. Sie konnte nicht anders. Ich nehme an, dass jeder Mensch hin und wieder ein wenig Zerstörung genießt. Sandburgen, Kartenhäuser, so fängt es an. Was den Menschen aber erst zum Menschen macht, ist seine Fähigkeit zur Steigerung.
    Die Angst, etwas zu verpassen, verflog, als sie durch eine Lücke zwischen den Körpern den noch unberührten Schuldberg vor sich sah. Es war auf ihm herumgetrampelt worden, er war bespritzt und sogar bespuckt worden. Er erinnerte Liesel an ein Kind, das keiner mochte, verloren und verwirrt und unfähig, seinem Schicksal zu entgehen. Niemand wollte es haben. Es hielt den Kopf gesenkt. Die Hände in den Taschen. Für immer und ewig. Amen.
    Immer noch fielen Fetzen und Stücke von den Seiten herab. Liesel suchte immer noch nach Rudi. Wo steckte der Saukerl bloß?
    Sie schaute auf und sah den Himmel niederkauern.
    Ein Horizont aus Reichsflaggen und Uniformen hob sich himmelwärts und zerstückelte ihr Blickfeld, egal wie oft sie auch versuchte, über den Kopf eines kleineren Kindes vor ihr hinwegzusehen. Es half nichts. Die Menge war wie eine Wand. Man konnte sie nicht ins Wanken bringen. Man konnte sich nicht hindurchzwängen. Sie ließ sich durch nichts erweichen. Man konnte nur im Gleichklang mit ihr atmen und ihre Lieder singen. Und auf ihr Feuer warten
    Ein Mann auf einem Podium verlangte nach Ruhe. Seine Uniform war glänzend braun. Man hatte fast das Gefühl, dass das Bügeleisen immer noch darüber hinwegglitt. Stille kehrte ein.
    Seine ersten Worte: »Heil Hitler!«
    Seine erste Geste: der Hitlergruß.
    »Heute ist ein wundervoller Tag«, fuhr er fort. »Es ist nicht nur der Geburtstag unseres Führers, nein, wir schlagen auch einmal mehr unsere Feinde zurück. Wir hindern sie daran, sich in unsere Gedanken einzuschleichen...«
    Liesel versuchte immer noch, sich durch die Menge zu kämpfen.
    »Wir machen dem Geschwür ein Ende, das sich in den letzten zwanzig Jahren - wenn nicht noch länger - in Deutschland ausgebreitet hatte.« Seine Rede steigerte sich nun zu einem regelrechten Geschrei - eine gewaltige Zurschaustellung aufgestauter Leidenschaft. Er forderte die Menschen auf, wachsam zu sein, unermüdlich auf der Hut, um die bösartigen Ränken auszuspähen und zu zerstören, die das Vaterland mit ihrer Fäulnis zu überziehen drohten. »Die Unmoralischen! Die Kommunisten!« Wieder dieses Wort. Das alte, vertraute Wort. Dunkle Räume. Männer in Anzügen. »Die Juden!«
    Nach der Hälfte der Ansprache gab Liesel auf. Nachdem das Wort »Kommunisten« sie erreicht hatte, fegte der Rest der braunen Hetze an ihr vorbei, rechts und links, und verlor sich irgendwo zu den deutschen Füßen neben ihr. Ein Strom aus Worten. Ein Mädchen, das Wasser trat. Sie dachte es wieder. Kommunisten.
    Bisher hatte man im JM stets gepredigt, dass die Deutschen die überlegene Rasse waren, aber niemand war als Vergleich herangezogen worden. Natürlich wusste jeder über die Juden Bescheid, weil sie ja die Haupttäter waren, die das deutsche Ideal verunreinigten. Aber bis heute waren nicht ein

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