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Die Bücherdiebin

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Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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sie gedacht hatten, dass sie prallvoll mit Früchten hingen, sahen dürr und irgendwie verwundet aus. Nur eine kleine Anzahl Äpfel baumelte erbärmlich von den Ästen. Auf dem nächsten Bauernhof war es nicht anders. Vielleicht war es ein schlechtes Jahr, oder sie hatten den falschen Zeitpunkt erwischt.
    Am Ende des Nachmittags, als die Beute geteilt wurde, erhielten Liesel und Rudi lediglich einen einzigen Apfel, den sie sich teilen mussten. Gerechterweise muss gesagt werden, dass die Ernte insgesamt ziemlich mager ausgefallen war, aber ein weiterer Grund lag darin, dass Viktor Chemmel ein anderes Regiment führte als Arthur Berg.
    »Was soll das denn sein?«, fragte Rudi mit dem Apfel in der offenen Hand.
    Viktor drehte sich nicht einmal um. »Wie sieht es denn aus?« Die Worte fielen über seine Schulter.
    »Ein lausiger Apfel?«
    »Hier.« Eine halb aufgegessene Frucht kam zu ihnen gesegelt und landete mit der angebissenen Seite nach unten im Dreck. »Den könnt ihr auch noch haben.«
    Rudi war erbost. »Zum Teufel damit. Wir sind doch keine zehn Kilometer für einen Apfel und einen Apfelkrotzen gelaufen, oder, Liesel?«
    Liesel gab keine Antwort.
    Sie hatte gar keine Gelegenheit dazu, denn Viktor Chemmel hatte sich auf Rudi gestürzt, bevor sie noch ein Wort sagen konnte. Seine Knie nagelten Rudis Arme auf dem Boden fest, und seine Hände lagen um Rudis Hals. Die Äpfel wurden aufgelesen, von niemand anderem als von Andi Schmeikl.
    »Du tust ihm weh«, sagte Liesel.
    »Tatsächlich?« Viktor lächelte wieder. Sie verabscheute dieses Lächeln.
    »Er tut mir nicht weh.« Rudis Worte drängten sich aneinander, und sein Gesicht war rot vor Anstrengung. Seine Nase fing an zu bluten.
    Viktor verstärkte den Druck noch einmal und ließ Rudi dann los, kletterte von ihm herunter und trat gelassen zur Seite. Er sagte: »Steh auf, Junge«, und Rudi tat klugerweise, was ihm gesagt worden war.
    Gelassen trat Viktor ganz nah an ihn heran und sah ihm geradewegs ins Gesicht. Er rieb ihm beinahe sanft den Arm. Ein Flüstern. »Wenn du nicht willst, dass dieses Rinnsal aus Blut sich in einen Springbrunnen verwandelt, dann verschwindest du jetzt besser, Kleiner.« Er schaute Liesel an. »Und nimm die kleine Schlampe gleich mit.«
    Keiner rührte sich.
    »Worauf wartet ihr?«
    Liesel nahm Rudi an der Hand, und sie gingen davon. Ein letztes Mal drehte sich Rudi um und spuckte Blut und Speichel vor Viktor Chemmels Füße. Eine Geste, die ihm ein abschließendes Versprechen einbrachte.
    VIKTOR CHEMMELS VERSPRECHEN
    »Das wirst du mir noch büßen, mein Freund.«
    Man kann über Viktor Chemmel sagen, was man will, jedenfalls besaß er Geduld und ein gutes Gedächtnis. Es dauerte etwa fünf Monate, bis er sein Versprechen einlöste.
    Liesel nahm Rudi an der Hand, und sie gingen davon. Ein letztes Mal drehte sich Rudi um und spuckte Blut und Speichel vor Viktor Chemmels Füße. Eine Geste, die ihm ein abschließendes Versprechen einbrachte.
    Seine Idee war es, über all das zu schreiben, was ihm widerfahren war - und was ihn in den Keller in der Himmelstraße geführt hatte -, doch nicht diese Idee wurde Wirklichkeit. Max' Exil schuf etwas völlig anderes. Es war eine Sammlung von willkürlichen Gedanken, und er beschloss, sich darauf einzulassen. Es fühlte sich wahrhaftig an. Diese Gedanken waren wirklicher als die Briefe, die er an seine Familie und an seinen Freund Walter Kugler schrieb, wohl wissend, dass er sie nie würde abschicken können. Aus den geschändeten Seiten von Mein Kampf entsprangen Skizzen, Seite für Seite, die in Max' Augen die Ereignisse zusammenfassten, die dem Wechsel von seinem früheren in sein jetziges Leben zugrunde lagen. Für einige brauchte er Minuten, für andere Stunden. Er dachte, dass er das fertige Buch Liesel schenken würde, wenn sie alt genug war und dieser ganze Irrsinn hoffentlich hinter ihnen liegen würde.
    Von dem Moment an, in dem er die Bleistifte auf den ersten weiß gemalten Seiten ausprobiert hatte, hielt er das Buch stets geschlossen. Oft lag es neben ihm oder immer noch zwischen seinen Fingern, wenn er schlief.
    Eines Nachmittags, nach seinen täglichen Körperertüchtigungen, schlief er, an die Kellerwand gelehnt, ein. Liesel kam herunter und sah das Buch neben ihm liegen, leicht gegen seinen Oberschenkel geneigt. Die Neugier übermannte sie. Sie bückte sich und hob es auf, wartete darauf, dass er sich rührte. Er tat es nicht. Max saß mit seinem Kopf und den
    Schulterblättern an

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