Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
Grinsen. Er öffnete seine Arme, und bevor der Zwerg ihn aufhalten konnte, umschlang er Flint in einer Umarmung, die ihn vom Boden hob. Der Zwerg drückte sich für einen kurzen Augenblick eng an seinen alten Freund, dann erinnerte er sich an seine Würde, krümmte und befreite sich aus der Umarmung des Halb-Elfs.
»Nun, in den fünf Jahren hast du keine Manieren gelernt«, murrte der Zwerg. »Immer noch keinen Respekt vor meinem Alter oder meiner Position. Hebt mich hoch wie einen Sack voller Kartoffeln.« Flint sah die Straße hinunter. »Hoffentlich hat uns kein Bekannter gesehen.«
»Ich bezweifle, daß es viele gibt, die sich an uns erinnern«, sagte Tanis. Seine Augen musterten liebevoll den untersetzten Freund. »Die Zeit verstreicht für uns nicht so, alter Zwerg, wie es bei den Menschen der Fall ist. Für sie sind fünf Jahre eine
lange Zeit und für uns nur ein Augenblick.« Dann lächelte er. »Du hast dich nicht verändert.«
»Was man von anderen nicht behaupten kann.« Flint setzte sich wieder auf den Stein und fuhr mit der Schnitzerei fort. Finster blickte er zu Tanis hoch. »Warum der Bart? Du warst doch so schon häßlich genug.«
Tanis kratzte sich am Kinn. »Ich war in Ländern, in denen man Elfen nicht wohlgesinnt ist. Der Bart – ein Geschenk meines menschlichen Vaters«, sagte er mit bitterer Ironie, »hat geholfen, mein Elfentum zu verbergen.«
Flint ächzte. Er wußte, daß dies nicht die ganze Wahrheit war. Obwohl der Halb-Elf das Töten verabscheute, würde Tanis sich nicht hinter einem Bart verstecken, um einem Kampf aus dem Wege zu gehen. Holzspäne flogen.
»Ich habe mich in Ländern aufgehalten, in denen man niemandem wohlgesinnt ist, egal welcher Rasse er angehört.« Flint drehte das Holz prüfend in seiner Hand. »Aber jetzt sind wir zu Hause.All das liegt hinter uns.«
»Nicht nach dem, was ich gehört habe«, erwiderte Tanis und zog seine Kapuze wieder über das Gesicht, um nicht von der Sonne geblendet zu werden. »Die Sucherfürsten in Haven haben einen Mann namens Hederick zum Obersten Theokraten in Solace ernannt, und er ist dabei, die Stadt mit seiner neuen Religion in eine Brutstätte des Fanatismus zu verwandeln.«
Tanis und der Zwerg drehten sich um und sahen hinab in das friedliche Tal. Lichter begannen aufzuflimmern und ließen die Häuser in den Bäumen sichtbar werden. Die Nachtluft war still und ruhig und süß, mit dem Duft verbrannten Holzes aus den häuslichen Kaminen vermischt. Hin und wieder konnten sie von fern die Stimme einer Mutter vernehmen, die ihre Kinder zum Abendessen rief.
»Ich habe keine schlechten Nachrichten über Solace gehört«, sagte Flint ruhig.
»Glaubensverfolgung ... Inquisition ...« Tanis’ Stimme klang aus der Tiefe seiner Kapuze unheilvoll. Sie war tiefer, trübsinniger, als Flint sie in Erinnerung hatte. Der Zwerg runzelte die
Stirn. Sein Freund hatte sich in den fünf Jahren verändert. Elfen verändern sich niemals. Aber Tanis war nur ein Halb-Elf – ein Kind der Gewalt, da seine Mutter von einem Menschen-Krieger vergewaltigt worden war, in einem der vielen Kriege, die die verschiedenen Rassen auf Krynn in den chaotischen Jahren nach der Umwälzung gespalten hatten.
»Inquisition! Das gilt nur für die, die sich dem neuen Theokraten widersetzen, den Gerüchten nach«, schnaubte Flint. »Ich glaube nicht an die Götter der Sucher – habe es niemals getan –, aber ich stelle meinen Glauben nicht auf der Straße zur Schau. Bleib ruhig, und sie lassen dich in Ruhe – das ist mein Motto. Die Sucherfürsten in Haven sind immer noch weise und rechtschaffene Männer. Es ist nur dieser faulige Apfel in Solace, der den ganzen Korb verdirbt. Nebenbei, hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«
»Zeichen der uralten wahren Götter?« fragte Tanis. »Oder inneren Frieden? Ich habe beides gesucht.Was meinst du?«
»Nun, ich nehme an, das eine hat etwas mit dem anderen zu tun«, knurrte Flint. Er drehte das Holzstück in seinen Händen, immer noch nicht zufrieden mit seiner Form. »Sollen wir hier die ganze Nacht herumstehen und die Kochdüfte riechen? Oder gehen wir in die Stadt und essen zu Abend?«
»Laß uns gehen«, winkte Tanis. Die zwei schritten gemeinsam den Pfad hinunter. Tanis’ große Schritte zwangen den Zwerg zu einer schnelleren Gangart. Obwohl es viele Jahre her war, daß sie zusammen gewandert waren, verlangsamte Tanis unbewußt seinen Schritt, während Flint seinen unbewußt beschleunigte.
»Du hast
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