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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vom Wagen gezerrt und daran festgekettet, ohne auf seine verzweifelte Gegenwehr und seine panischen Schreie zu achten.
    Die Hinrichtung selbst jedoch ging denkbar langsam vonstatten.
    Es war nicht das erste Mal, dass Andrej Zeuge eines so grausigen Schauspiels wurde, aber er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas Entsetzlicheres gesehen zu haben.
    Im Gegensatz zur üblichen Praxis hatten sie das Feuerholz nicht so aufgeschichtet, dass der Rauch den unglückseligen Mann binnen weniger Augenblicke erstickte. Der Henker hatte ganz im Gegenteil ein Übriges getan und das Holz in einem Abstand von guten drei Fuß von der eisernen Säule entfernt gestapelt, sodass die Flammen selbst den Mann nicht einmal berührten, sondern es lediglich der ausgestrahlten Hitze überlassen blieb, ihn zu töten – was seine Qual von wenigen Minuten auf eine grauenvolle Viertelstunde ausdehnte, wenn nicht sogar noch mehr.
    Ihm kam es vor wie Stunden. Irgendwann hörten die entsetzlichen Schreie auf, und das schwarz verkohlte Etwas, das einmal ein Mensch gewesen war, hing reglos in den noch glühenden Ketten, mit denen es an den Pfahl gebunden war. Dann traten die Männer die letzten Flammen aus und schichteten neues Reisig auf. Es war sehr still auf dem ummauerten Platz geworden. Am Anfang hatte die Menge noch begeistert gejohlt und Beifall geklatscht, doch diese Geräusche waren nach und nach verstummt, als der Menge klar wurde, was für ein entsetzliches Spektakel ihnen da wirklich geboten wurde, und die Schreie des gequälten Mannes kein Ende nehmen wollten. Jetzt war auf nahezu allen Gesichtern nur noch Entsetzen zu erkennen, und die Menge war auch nicht mehr annähernd so groß wie am Anfang, denn viele hatten den furchtbaren Anblick nicht mehr ertragen und waren von dem Hof geflohen. Als eine Tür zufiel, sah Andrej auf und erblickte Sharif, der für einen Moment im Haus verschwunden gewesen war und nun zurückkam. Ertrug einen anderen Mantel und einen Turban anstelle des Janitscharenhelmes. Seine Lippe schien immer noch zu bluten, denn er presste ein Tuch gegen das Gesicht, das es fast zur Hälfte verdeckte. Ein Mann mit einer brennenden Fackel in der Hand begleitete ihn, als hätte er vor, den nächsten Scheiterhaufen selbst in Brand zu setzen.
    Die Gefangenen waren vom Wagen gezerrt und ihrer Fesseln entledigt worden, wurden aber von jeweils zwei bewaffneten Männern (Abu Dun von vier) bewacht, die sie in einer langen Reihe vor dem Podest aufgestellt hatten, die Gesichter dem Scheiterhaufen zugewandt und nahe genug, sie die Hitze schmerzhaft spüren zu lassen. Sharif schritt diese Reihe nun langsam ab, blieb vor Murida stehen und legte ihr die Hand unter das Kinn, damit sie ihn ansehen musste. »Nun, mein Täubchen?«, fragte er. »Glaubst du immer noch, dass dein Machdi kommt und dich rettet?«
    Murida wollte den Kopf wegdrehen, doch Sharif ließ es nicht zu. »Vielleicht kommt er ja noch«, sagte er böse. »Zeit genug lasse ich ihm jedenfalls, keine Angst. Du wirst als Letzte brennen.«
    Murida spuckte ihn an, und Sharif revanchierte sich mit einer-wenn auch eher symbolischen- Ohrfeige, lachte böse und ließ seinen Blick dann über die Gesichter der anderen Gefangenen tasten. Auf dem von Andrej blieb er hängen. »Der Ungläubige ist der Nächste!«
    Andrej wurde an beiden Armen gepackt und aus der Reihe gezogen, und Sharif wandte sich von Murida ab und kam gemächlichen Schrittes näher. »Es gehört schon ein gewisser Mut dazu, in Zeiten wie diesen als Ungläubiger nach Konstantinopel zu kommen«, sagte er. »Reicht dein Mut auch noch, um nicht wimmernd wie ein Weib zusammenzubrechen, wenn du dort hinaufgehst? Ich glaube ja, du wirst wimmern, aber vielleicht überraschst du mich ja, Ungläubiger.« Andrej überraschte ihn, indem er einen halben Schritt nach vorne machte, die Arme ausstreckte und die Ellbogen dann mit aller Gewalt zurückstieß. Ohne Rücksicht legte er seine ganze übermenschliche Kraft in die Bewegung – mit dem Ergebnis, dass die beiden Männer, die ihn gerade noch gehalten hatten nicht nur zu Boden geschleudert wurden, sondern auch noch etliche andere mit sich von den Beinen rissen. Und dann überraschte er Sharif sogar noch ein zweites Mal, als er mit einem einzigen schnellen Schritt bei ihm war, ihm den Säbel aus dem Gürtel riss und ihm den Griff seiner eigenen Waffe in der Aufwärtsbewegung unter das Kinn schlug. Mit einem gurgelnden Schrei taumelte Sharif zurück, wild mit den Armen rudernd, um

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