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Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)

Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)

Titel: Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pauli
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aber nicht falten, aufreißen schon gar nicht. Dennoch war es nicht etwa hart wie Eisen oder gar Stahl. Nein, dieses Material war etwas wirklich Außergewöhnliches, da war sich Pete absolut sicher. Er wollte unbedingt wissen, was da bloß für ihn, Pete, das Waisenkind, drin war. Er versuchte nochmals mit all seiner Kraft, den Umschlag aufzureißen. Er wollte jetzt wissen, was da drin war. Der Umschlag ließ sich einfach nicht öffnen. Ja, nach all seinen Anstrengungen konnte er nicht einmal die kleinste Spur eines Risses erkennen.
    Irgendwie muss das Ding aufzukriegen sein!
    Er legte den silbernen Umschlag vorsichtig vor sich aufs Bett und schloss die Augen. Dies tat er oft, wenn er eine schwierige Aufgabe lösen sollte. Aber schon öfter, als er zählen konnte, wurde ihm dies in der Schule zum Verhängnis, da die Lehrer dachten, er sei eingeschlafen, und ihn immer prompt dafür bestraften. Das Leben war für ihn oft, ja, viel zu oft, einfach ungerecht.
    Pete schüttelte plötzlich seinen Kopf, er musste sich nun auf den Umschlag konzentrieren. Also, darauf stand nur „Für Pete Powell“, also ihn. Warum war der Umschlag bloß verschlossen? Wer sollte ihm eine Nachricht schicken, die er aber nicht öffnen konnte?
    Da sprang er vom Bett auf und klatschte sich in die Hände.
    „Das ist es!“, sagte er mit aufgeregter Stimme.
    Jemand wollte ihm wohl eine Nachricht überbringen, die er noch nicht sehen durfte, da sie entweder sehr geheim war oder der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen war, um diese zu lesen. Wann würde dieser Zeitpunkt kommen?
    Er wusste es nicht.
    Pete beschloss, den Umschlag auf keinen Fall aus der Hand zu geben und zu warten, bis der Moment gekommen war, an dem er ihn öffnen konnte. Pete umarmte den Umschlag innig und versteckte ihn unter seinem Pyjama. Endlich hatte er einmal Post bekommen! Er verkroch sich mit dem Umschlag unter seiner Bettdecke, schaute nochmals die Bilder seiner geliebten, aber leider fast gänzlich unbekannten Eltern an und schlief ein.
    Normalerweise schlief er unruhig in seinem großen, hölzernen Bett. Diese Nacht aber konnte er, überraschenderweise, sehr ruhig und tief schlafen. Der Umschlag gab ihm etwas, das er seit seiner Ankunft hier im Heim nicht mehr verspürt hatte: Pete hatte wieder Hoffnung auf ein besseres Leben. Er wusste nicht, warum dieser Umschlag in ihm solche Gefühle weckte, doch in diesem Moment waren sie realer als alles andere in Petes Leben.
     
     
    Als die Sonne am nächsten Morgen langsam erwachte und mit ihren sanften Strahlen die Kinder im Heim weckte, war Marcy bereits gewaschen, angezogen und hatte schon gefrühstückt.
    Sie saß an ihrem Esstisch und gönnte sich ihren täglichen Morgenkaffee, während sie sich in Gedanken auf den Tag vorbereitete. Aber an diesem Morgen war es anders. Sie konnte einfach nicht vergessen, was sich am Abend zuvor in Petes Zimmer abgespielt hatte. Der Umschlag hatte das dämmerige Licht viel zu stark gespiegelt, das war unnatürlich. Etwas stimmte mit diesem Umschlag und, ja, natürlich auch mit Pete nicht.
    Sie beschloss, dies an diesem Tag herauszufinden. Als ihr Blick die Uhr streifte, fuhr sie erschrocken zusammen.
    „Oh mein Gott! Schon 08:05 Uhr!“, schrie sie und sprang vom Tisch auf. Dabei rammte sie mit ihrem Bauch den Tisch, der mit einem lauten Quietschen über die Steinplatten holperte und mit einem noch lauteren Knall an der Wand zu stehen kam. Auf einmal spürte sie, wie sich eine ungewohnte Wärme auf ihrem Bauch ausbreitete. Es war eine Wärme, die sehr rasch in ein Brennen überging.
    Marcy schaute an sich hinunter und stellte mit Schrecken fest, dass sie den heißen Kaffee über sich geschüttet hatte.
    „Das darf doch nicht wahr sein!“, fauchte sie.
    Es blieb keine Zeit, um die Kleider zu wechseln. In den über zwanzig Jahren, in denen sie dieses Heim leitete, war sie noch nie zu spät zum Unterricht gekommen. Noch nie!
    Ein hastiger Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es nun 08:07 Uhr war.
    „7 Minuten Verspätung, was für eine Katastrophe! Und alles nur wegen Pete!“
    Wütend stampfte sie aus ihrer kleinen Wohnung und rannte, so gut dies mit ihrem Gewicht überhaupt möglich war, mit hochgezogenem Rock ins Schulgebäude.
    Sie stieß eine Tür nach der anderen auf, lief eine Treppe hoch, den Korridor entlang, dann links, geradeaus und mit ihrer letzten Kraft öffnete sie, keuchend wie eine alte Dampflokomotive, die Tür zum Klassenzimmer.
    Alle fünfzehn Kinder saßen bereits

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