Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
getan hatten.
»Dann weiß ich nichts mehr«, kam er schließlich dem schrecklichen Augenblick näher. »Ich erinnere mich, dass ich träumte ... und dann erwachte ich, und ... und ...« Als Rowarn den Moment heraufbeschwor, wo er Anini in ihrem Blut daliegen sah, mit aufgerissener Brust und fehlendem Herzen, war es mit seiner Beherrschung vorbei. Würgend sprang er auf und rannte nach draußen, wo er schluchzend in die Knie sank und das Grauen herausspie. Jetzt endlich, nach all den Stunden der Angst und Verwirrung, entließ er den Schrei, der immer noch in seiner Brust eingesperrt gewesen war. Er schrie mit sich überschlagender Stimme, bis er heiser war, und dann würgte er erneut, doch es war nichts mehr in ihm.
Wimmernd lag er draußen in der Sonne, wo die Vögel lärmend in den Zweigen hüpften und Schmetterlinge gaukelnd tanzten, und hatte das Gefühl zu sterben. Wie konnte die Welt so lieblich und unschuldig sein, so fröhlich und unbeschwert, an diesem Tag, der sein Leben zertrümmert hatte und nichts als Zweifel zurückließ?
Rowarn zuckte zusammen, als er eine zarte Berührung auf der Schulter spürte. Schneemond beugte sich über ihn und hielt ihm eine dampfende Schale hin. »Trink das«, sagte sie sanft.
»Ich ... ich kann nicht«, schniefte er, wischte Rotz und Tränen aus seinem Gesicht und schämte sich. Für alles, was er war, was er getan hatte. Dafür, dass er diesen Ort des Friedens und diesen Tag befleckte wie das Wasser des Sees. Wäre er doch fortgelaufen! Nun war alles nur noch schlimmer geworden. Ich habe es dir doch gesagt , stichelte die Stimme giftig in ihm. Wie kannst du glauben, nach den Lehren der Velerii leben zu können?
»Du musst es trinken«, verlangte seine Mutter. »Oder dein Herz wird so schwarz wie das Wasser: Das war eine Warnung. Lass dir helfen, Sohn.«
Gehorsam trank Rowarn, und tatsächlich brachte er das völlig geschmacklose, heiße Getränk hinunter und behielt es bei sich. Beruhigende Wärme breitete sich in ihm aus und dämpfte Angst und Schmerz.
Schattenläufer bückte sich und hob ihn auf seine starken Arme, genau wie früher, als Rowarn noch ein Kind gewesen war. Rowarn schämte sich dafür, wagte aber nicht, sich zu rühren. Und ... es war ihm ein Trost, noch immer behütet zu sein. Sacht trug Schattenläufer ihn zurück ins Haus und setzte ihn auf dem Sessel ab. Dann ließ der Pferdmann sich wieder auf seinem Platz nieder, mit Schneemond an der Seite.
Für eine Weile herrschte düstere Stille.
»Und wenn ich es war?«, flüsterte Rowarn schließlich verzagt. »Die Leute haben recht, ich bin unbeherrscht und manchmal blindwütig vor Raserei. Dann bin ich nicht ich selbst und kann mich hinterher kaum erinnern ...«
»Ich kann keine Schuld an dir riechen«, sagte Schneemond.
»Weil ich mir meiner Schuld nicht bewusst bin«, erwiderte der junge Mann. »Aber ich war in der letzten Zeit oft nachts im Land unterwegs. Ich konnte nicht schlafen, und es trieb mich hinaus ... Manchmal erwachte ich an fremden Orten, und ich konnte mich nicht erinnern, wie ich dorthin gekommen war ...«
Leise beharrte seine Muhme: »Das glaube ich niemals.«
Rowarn fuhr sich durch die wirren Haare. »Woher willst du das wissen, ehrwürdige Mutter?«, bemerkte er müde. »Was wisst ihr beide denn schon über mich? Eine Frau brachte mich zu euch, als ich noch ein Säugling war. Und sie starb, bevor sie etwas über meine Herkunft verraten konnte.«
»Mehr können wir dir nicht über deine Vergangenheit verraten«, sagte Schattenläufer ruhig. »Aber wir sehen dein gutes Herz, und deine reine Seele.«
»Womöglich bin ich besessen«, versetzte Rowarn. »Es gibt genug Dunkles in mir, was euch Sorgen macht, ich weiß es genau. Ich merke doch, wie ihr mich manchmal anseht. Wenn ich unbeherrscht bin ... das versteht ihr nicht, genauso wenig wie ich, und ihr könnt es nicht vermeiden. Jetzt bin ich zwanzig Jahre alt und eurer Obhut entwachsen. Wer weiß, was alles erwacht ist in mir!«
Schattenläufer hob eine Hand. »Du bist nicht fortgelaufen, Rowarn, wie es vielleicht ein anderer getan hätte, sondern du bist zu uns gekommen. Das zeigt, dass du unsere Lehren nicht nur empfangen, sondern auch begriffen hast. Und es zeigt uns, du bist unschuldig, und wir werden es beweisen.«
»Aber wie?« Rowarn lehnte sich erschöpft zurück. Die Wirkung des Mittels hatte seinen Kopf erreicht. Bald würde er sich nicht mehr wach halten können.
»Wir werden einen Weg finden«, sagte sein Muhme
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