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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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für die Globalisierung und den damit verbundenen Wohlfahrtsgewinn für alle. Die Vielschichtigkeit der Verbindungen und Abhängigkeiten ist inzwischen so groß, dass wir uns immer wieder an das sprichwörtliche Beispiel aus der Chaostheorie erinnern, nach dem der Flügelschlag eines Schmetterlings auf Hawaii einen Tsunami in Indonesien auslösen kann. Diese Zusammenhänge können, ähnlich wie das Chaos, natürlich nicht jederzeit transparent sein. Gleichzeitig sollte aber die Verflechtung der Finanzprodukte und der unterschiedlichen Marktteilnehmer zu einer Diversifikation der Risiken führen. Insofern ist es auch ein Stabilisierungsfaktor. Letztlich sind Intransparenz und Risikodiversifikation zwei Seiten derselben Medaille.
    Haben Sie eigentlich verstanden, was Ihre Mitarbeiter in der Derivateabteilung verkauften?
    Natürlich kenne ich nicht alle Produkte, die entwickelt und verkauft werden. Das ist das Tagesgeschäft unserer Strukturierungsexperten, die mir die Produkte, sollte es im Einzelfall notwendig werden, schnell erklären können.
    Ein Satz aus dem Tagebuch einer Derivatehändlerin: »Wir kalibrieren mit Garch beziehungsweise nutzen Modelle stochastischer Volatilität, etwa Hull, außerdem haben wir noch das Problem mit fat tails in den volas , die smiles , die skews .« Können Sie das übersetzen?
    Dazu müsste ich wissen, was da gehandelt worden ist: Staatsanleihen, Inflation, Zinsen, was auch immer.
    Was ist denn ein »Garch«?
    Die Abkürzung für eine Gleichung, die Abweichungen von Daten in Zeitreihen und die Abhängigkeit ihrer eigenen Historie beschreibt, glaube ich.
    Ein »Hull«?
    Hull ist der Name eines Professors für Optionen und Futures, und hier ist wohl ein von ihm entwickeltes Modell gemeint. Übrigens ist mir aus der Medizin im Zusammenhang mit der Strahlentherapie ein anderer Hull in Erinnerung. Der, der den Strahlendruck definiert beziehungsweise entdeckt hat, etwas was so einfach auch nicht zu verstehen ist. Jede Disziplin hat ihre Fachterminologie.
    Der Kern der Krise ist doch, dass ein System entstanden ist, das keiner mehr im Griff hatte. Da stellt sich die Frage: Wo fängt das Unverständnis an? Damit, dass man die Komplexität der Welt nicht mehr versteht, oder schon damit, dass man die Komplexität des Produktes nicht mehr versteht?
    Aber das ist ja kein Produkt, von dem Sie da sprachen.
    Aber das ist die Gebrauchsanweisung für das Produkt, seine Rezeptur …
    Nein. Das sind bestimmte Handelsabläufe, die beobachtbar sind. Ein Verhalten von bestimmten Kursen unter bestimmten Prämissen. Klar gibt es exotisch anmutende Finanzinstrumente, die nicht jeder gleich auf Anhieb versteht. Nur soll man diese deswegen verbieten? Dann müsste man vieles verbieten, etwa viele Medikamente, von denen man nicht weiß, wie sie wirkten, nur dass sie wirken. Es geht vielmehr darum, das Risiko zu managen.
    Die Politikwissenschaftlerin Ingrid Kurz-Scherf sieht die Wurzeln der Krise in der »Geschlechterkonstruktion« des Investmentbanking. Es sei ein »Reservat einer auf Kampf, Konkurrenz und Dominanz geeichten Männlichkeit«. Würde es nicht schon helfen, wenn Sie ein paar Frauen einstellen würden?
    Aber wir stellen ständig Frauen ein und versuchen, unseren Frauenanteil und damit unsere Diversivität zu verstärken, übrigens nicht nur im Hinblick auf das Geschlecht, sondern auch auf Religion, ethnische Herkunft und andere Faktoren.
    Der ehemalige Goldman Sachs-Banker Jonathan Knee hat ein Buch über Ihre Branche geschrieben, in dem er sagt: Investmentbanker hätten einen unternehmerischen, aggressiven, risikobereiten Zugang zum Leben – das ist doch spezifisch männlich.
    Aggressiv – das stimmt nicht. Im Gegenteil: Wir sind nicht bissig und aggressiv wie Hunde, die andere Hunde wegbeißen. Das ist ähnlich wie mit dem Thema Gier, das wir schon besprochen haben. Wenn man zu aggressiv ist, findet man sich schnell isoliert, weil keiner mehr Geschäfte mit einem machen will. Wenn wir das Wort allerdings etwas positiver besetzen, im Sinn von »Sachen angehen«, dann mag das sicher stimmen. Das ist aber keinesfalls eine spezifisch männliche Eigenschaft. Und vergessen Sie bei all den Beschreibungen und Mythen über das Investmentbanking nicht: Letztlich ist harte und vielfach mühsame Arbeit der ganz triviale Grund für eine erfolgreiche Organisation oder eine erfolgreiche Transaktion.
    Woher kommen dann diese Bilder von den Investmentbankern – nur aus Büchern wie Fegefeuer der Eitelkeiten

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