Die Daemmerung
Eurer ... Stachelschweinfrau, Yasammez.« Etwas von seiner Verwirrung fiel plötzlich von ihm ab, so als hätte jemand eine Dreckschicht von einem glänzenden alten Gegenstand gewischt. »Nein, ich
bin
aus eigener Entscheidung hierhergekommen, jedenfalls auch. Weil Gyir wollte, dass ich es tue. Weil der König mich gerufen, gebeten ... gedrängt hat. Ich habe nicht darum gebeten, geboren zu werden, und ich habe schon gar nicht darum gebeten, mit Qar-Blut geboren zu werden, das in mir brennt. Es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben?«
Der Ausdruck des vollkommenen, eierschalenzarten Gesichts der Königin änderte sich nicht, aber sie schwieg eine Weile.
»Sie hat dich also erwählt — meine Teure, meine Liebe, meine Vorfahrin?« Saciri trat einen Schritt auf ihn zu, hob die Hand und berührte leicht sein Gesicht. »Was hat sie gesehen?« Obwohl sie nicht größer war als Barrick und so schlank wie ein Schilfrohr, kostete es ihn alle Mühe, nicht vor ihrer Berührung zurückzuweichen. Ihre Finger auf seiner Stirn waren kühl und trocken, wie der Kuss ihres Gemahls. »Wollte Yasammez ihn nur verspotten? Sie hat nie viel von meinem Gemahl gehalten — nicht so wie ich. Sie fand, er sei zu lasch als Beschützer des Volkes, ihm sei es wichtiger, das Rechte zu tun, als das Notwendige.«
Aber das ist dasselbe,
murmelte etwas in Barricks Denken.
Die Königin nahm ihre Hand so jäh von seinem Gesicht, als hätte sie sich verbrannt. »Was ist das für ein Trick?« Ihre Hand schoss wieder hervor wie eine zustoßende Schlange, legte sich dann überraschend behutsam über seine Augen und drückte fest auf die Stelle über seiner Nasenwurzel. »Was ...?«
Im nächsten Moment taumelte sie rückwärts, die erste nicht durch und durch anmutige Bewegung, die er sie machen sah. Ihre Augen weiteten sich. »Nein. Das kann nicht sein?«
An diesem Ort uralten Wissens und uralter Rituale erschreckte solch offenkundige Überraschung Barrick. »Was? Warum schaut Ihr mich so an?«
»Er ... er ist in dir! Ich fühle ihn, aber ich kann ihn nicht berühren!«
Etwas, das jetzt in Barrick lebte, war ungerührt von ihrer Fassungslosigkeit, ja sogar amüsiert. »Er hat gesagt, er wolle mir die Feuerblume übergeben.«
»Nein!« Sie kreischte es förmlich, wenn er auch im nächsten Moment begriff, dass es nur im Gegensatz zu ihrem sonst so gemessenen Ton schrill geklungen hatte. »Du bist ein Sterblicher. Du bist ein Welpe der Kreaturen, die uns geschändet ... die uns ermordet haben.«
Wir sind alle Kinder des Guten wie des Bösen, das vor uns war.
Ynnir? Seid Ihr das?
Barrick tat sein Bestes, den Gedanken festzuhalten, aber er war schon wieder weg. Barrick wurde bewusst, dass die Königin unmittelbar vor ihm stand und ihr Blick so eindringlich war, dass es fast schon schmerzte, ihm standzuhalten. Sie fasste ihn am Arm; ihr Griff war verblüffend kräftig.
»Was fühlst du? Ist er da, mein Bruder ... mein Gemahl? Spricht er in dir? Und die Vorläufer, fühlst du sie ebenfalls?«
»Ich ... ich weiß nicht ...« Und dann fühlte Barrick es aus der Tiefe emportauchen, und für einen Moment waren seine Gliedmaßen, seine Zunge, sein Kopf nicht sein.
»Wir sind hier, wir alle«,
sagten sein Denken und sein Mund, aber beides war nicht Barrick.
»Es ist nicht, wie wir erwartet haben, und viele von uns sind verwirrt ... viele andere sind gänzlich verloren. Noch nie wurde die Feuerblume auf diese Art weitergegeben. Es ist völlig anders ...«
Dann verschwand die fremde Präsenz wieder, und Barrick hatte wieder die Kontrolle über seine Gliedmaßen — aber alles hatte sich verändert, das wusste er. Alles war anders und würde es immer sein.
Die Königin starrte ihn immer noch an, doch jetzt schien ihr Blick fern. Dann klappte sie einfach zusammen, und ihre weißen Gewänder raschelten leise, als sie zu Boden fiel. Schatten eilten aus den Ecken und verborgenen Winkeln des großen Raumes herbei, Bedienstete, die die ganze Zeit schweigend und reglos gewartet hatten. Sie umringten sie, hoben sie auf und trugen sie davon.
Barrick konnte nur stumm dastehen und ihnen nachschauen, allein mit der unbegreiflichen Schar von fremden Wesen, die jetzt in seinem Blut und seinem Denken wohnten.
Anhang
Personen
Alat — ein xandischer Priester
Aesi'uah — Obereremitin von Yasammez
Alte der Erde — Schutzgeister der Funderlinge
Anamesiya Kettelsmit — Matty Kettelsmits Mutter
Ananka te Voa — Baronin aus Jellon, zuerst Hespers, dann Enanders
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