Die Daemmerung
die sich wie Erinnerungen anfühlten, aber Erinnerungen an Dinge waren, die er nie gesehen hatte und nicht ganz erkannte. Und während ihn all diese Bedeutungsstäubchen verwirrten, war da noch mehr: Alles in der Halle — die Bänke, die Spiegel an den Wänden, die wirbelgemusterten Bodenfliesen — schien in gewisser Weise zu leuchten, schien auf eine Art
wirklich,
wie er es noch nie erlebt hatte. Nicht mal die vertrautesten Gegenstände seiner Kindheit hatte er so sehr als Teil von sich empfunden wie diese Balken über ihm, das uralte, dunkle Holz, das zu stachligen Stechginsterblättern und verschlungenen Ranken geschnitzt war. Alles hatte eine Form und eine Textur, die sich unmöglich ignorieren ließen, alles hatte eine Geschichte. Und wie ganz Qul-na-Qar
war
die Halle selbst eine Geschichte, eine einzige großartige Geschichte des Volkes.
Dann sah er sie in ihren schimmernd weißen Gewändern warten.
Schon ihr bloßer Anblick überrollte Barrick wie eine Meereswelle, brach über seine sämtlichen Sinne herein, überschwemmte sein Denken mit Erinnerungen, die vorher nie dagewesen waren — ein Wald voller roter Blätter, eine glatte Schulter, so hell wie Elfenbein, ihre aufrechte Gestalt auf einem grauen Pferd, ihr Mantel von Schnee getüpfelt.
Saqri.
Windschwester.
Letzte der Blutslinie.
Geliebte Feindin.
Verloren und wiedergewonnen.
Königin des Volkes ...
Die Erinnerungen fluteten herein, bis von Barrick selbst fast nichts mehr übrig war, doch im selben Moment traf ihn etwas noch viel Mächtigeres und viel Reineres, so als durchdränge ein Strahl von hellstem Licht sein Auge, während gleichzeitig ein silberner Pfeil sein Herz durchbohrte.
Er schwankte. Er konnte nicht mehr stehen. Er fiel vor ihr auf die Knie und weinte.
Sagri war das Schönste, was er je gesehen hatte, so überwältigend und so vielfältig, dass es schon wehtat, sie nur anzusehen: Im einen Moment schien sie aus Löwenzahnflaum, Spinnenfäden und dürren Zweigen gemacht, ähnlich einer Kinderpuppe von vor hundert Jahren, so alt und zerbrechlich, dass sie unter der leisesten Berührung zerfallen könnte; im nächsten schien sie eine Statue aus hartem, schimmerndem Stein. Und ihre Augen — ihre Augen, so schwarz und tief! Barrick konnte nicht in diese Augen blicken, ohne dass ihm schwindlig wurde, ohne dass er das Gefühl hatte, zu fallen und zu fallen und niemals auf dem Grund anzukommen.
Die Königin sah ihn an, das Gesicht so unbewegt wie eine Maske, eine Maske, die ihm fremder und doch vertrauter war als jedes Gesicht der Welt. Durch die winzige Krümmung ihrer Mundwinkel sah es aus, als lächelte sie, doch ihre Augen und seine unerklärlichen Erinnerungen sagten ihm, dass es nicht so war.
»Das also ist das, was vom kostbaren Blut meiner Tochter geblieben ist?« Sie sagte es laut, als könnte sie es nicht ertragen, sein Denken zu berühren. Ihre Stimme war ohne jede Wärme. »Dieser Witz, dieses Häuflein verirrter fremdartiger Substanz, das ist es, was am Ende der Tage zu mir zurückkehrt?«
Er wusste, er sollte wütend sein, aber er hatte nicht die Kraft dazu. Einfach nur vor ihr zu stehen war schon überwältigend. War sie es oder war es die Feuerblume, die seinen Kopf mit Farben und Lärm und Feuer erfüllte? »Ich bin, wie mich die Götter erschaffen haben«, war alles, was er herausbrachte.
»Die Götter?« Saciri gab etwas von sich, das ein Lachen oder ein Schluchzen hätte sein können, aber ihr Gesicht veränderte sich nicht. »Was haben sie je für uns erschaffen, das nicht seine scharfe Seite gegen uns gekehrt hätte? Selbst Krummlings größte Gabe hat sich als Qual erwiesen.«
Sogar die Schatten schienen zurückzuweichen wie vor einer schrecklichen Blasphemie. Ein Teil von Barrick erkannte, dass das, was sie sagte, aus den Tiefen einer Verzweiflung kam, die er nicht ansatzweise ermessen konnte. »Es tut mir leid ... wenn Euch missfällt, was ich bin, Herrin. Ich bin nicht freiwillig hierhergekommen, und ich habe mir das Blut, das in meinen Adern fließt, nicht ausgesucht. Was auch immer meine Vorfahren getan haben, keiner hat mich nach meiner Meinung gefragt.«
Sie sah ihn lange an, die Augen so dunkel und lodernd, dass er ihrem Blick kaum standhalten konnte. »Genug«, sagte sie. »Genug geredet. Ich habe einen Gemahl zu betrauern.«
Die Königin kam vom Podest herab, so leicht wie von einem Windhauch getragen, und ihr wallendes Gewand schien den Boden kaum zu berühren. Als Barrick ihr durch die Mitte der
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