Die Dämonen ruhen nicht
verzweifelt, als sie das rechte Pedal drückt und sich in den Wind dreht. Bis auf eine mit hohem Schilf bewachsene Fläche entdeckt sie keinen Platz zum Landen. Als Stickstoff freigesetzt wird, klingt das wie ein weiterer Schuss; sofort blasen sich die Schwimmkissen an den Kufen auf wie Schlauchboote. Der Helikopter ruckt aus dem Trimm, und während Lucy sich bemüht, ihn zu stabilisieren, wird ihr klar, dass mindestens eines der sechs Schwimmkissen von Schrotkugeln getroffen worden sein muss.
Die unsanfte Landung löst den so genannten ELT, den Notfall-Ortungssender, aus. Der Helikopter schaukelt auf dichtem Gras und dunklem schlammigem Wasser und neigt sich stark nach rechts. Lucy öffnet die Tür und blickt hinunter. Zwei der drei Kissen sind durchlöchert und haben sich nicht aufgeblasen. Nachdem Rudy Batterie und Generator abgeschaltet hat, bleiben alle eine Weile wie benommen sitzen und lauschen in die plötzliche Stille hinein, während der Helikopter weiter nach rechts sackt und im Schlamm versinkt. Sie sehen zu, wie das etwa einhundert Meter entfernte Boot mit Wasser vollläuft. Der Bug hebt sich, als es untergeht.
»Wenigstens kann sie jetzt nicht mehr abhauen«, stellt Rudy fest, als er und Lucy die Kopfhörer abgenommen haben.
Lucy entfernt eine große Kappe an ihrer Uhr, zieht die Antenne heraus und aktiviert den ELT.
»Los«, sagt sie. »Wir können hier keine Wurzeln schlagen.«
»Ich schon«, erwidert Marino.
» Nic ?« Lucy dreht sich um. »Haben Sie eine Ahnung, wie tief das Wasser hier ist?«
»Nicht zu tief. Sonst würde hier nicht so viel Schilf wachsen. Der Schlamm ist das Problem. Wir könnten bis zu den Knien drin versinken.«
»Ich gehe nirgendwohin«, beharrt Marino. »Warum auch?Das Boot ist gekentert, also kann sie auch nicht verschwinden. Außerdem weigere ich mich, mich von Schlangen beißen oder von einem beschissenen Alligator auffressen zu lassen.«
»Wir können Folgendes tun«, fährt Nic fort, ohne auf Marinos Einwände einzugehen. »Das Schilf wächst bis hinter die Hütte. Ich weiß, dass das Wasser nicht sehr tief ist, denn wir sind früher in Gummistiefeln dort herumgewatet, um Muscheln zu suchen.«
»Ich gehe los«, verkündet Lucy und öffnet ihre Tür.
Aus der Hütte ertönt lautes Hundegebell.
Das Problem ist, dass Lucy sich wegen des aufgeblasenen Kissens an ihrer Kufe nicht langsam, einen Fuß nach dem anderen, hinuntergleiten lassen kann. Sie schnürt ihre knöchelhohen Stiefel fester zu und reicht Rudy ihre Glock und die Ersatzmagazine.
Dann kauert sie sich wie eine Fallschirmspringerin in die Tür. »Also los!«
Als sie mit den Füßen zuerst im Wasser landet, stellt sie erfreut fest, dass es nur bis knapp über den Rand ihrer Stiefel reicht. Wenn sie sich rasch bewegt, sinkt sie kaum ein. Das Gesicht mit Schmutzwasser bespritzt, nähert sie sich Rudy, greift nach ihrer Waffe und steckt sie sich hinten in die Hose. Die Ersatzmagazine stopft sie fürs Erste in ihre Hosentaschen.
Alle halten füreinander abwechselnd Waffen und Munition fest, als erst Rudy und dann Nic die Maschine verlassen. Sie springen auf derselben Seite hinaus wie Lucy. Marino bleibt wie ein trotziger Koloss hinten im Helikopter sitzen.
»Willst du abwarten, bis der Vogel umkippt?«, ruft Rudy. »Komm raus, du Blödmann!«
Marino rutscht über die Sitze und wirft Rudy seine Pistole zu. Beim Springen verliert er das Gleichgewicht, fällt hin und stößt sich den Kopf an einem Schwimmkissen. Als er sich endlich fluchend wieder aufgerappelt hat, ist er von oben bis unten mit Schlamm beschmiert.
»Pssst«, zischt Lucy. »Auf dem Wasser kann man Stimmen kilometerweit hören. Alles in Ordnung?«
Marino wischt seine Hände an Rudys Hemd ab und nimmt wütend seine Waffe entgegen. Währenddessen blinken beide ELT-Signale auf Radarschirmen im Tower der Flughäfen auf und werden auch von Piloten aufgefangen, die zufällig die Notfrequenz eingeschaltet haben.
Sie waten los und halten dabei Ausschau nach den Schlangen, die sie im hohen Gras rascheln hören. Als die vier mit hoch erhobenen, gezückten Pistolen auf dreißig Meter an die Hütte herangekommen sind, öffnet sich wieder quietschend die Fliegentür. Bev kommt mit ihrer Flinte auf den Steg gestürmt. Sie brüllt wüste Beschimpfungen und scheint vor Verzweiflung und Wut bereit zu einem Selbstmordkommando.
Doch noch ehe sie anlegen kann, drückt Rudy ab.
Rattat-rattat-rattat-rattat.
Bev stürzt auf die alten Holzbohlen und fällt
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