Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
neben dem halb versunkenen Boot ins Wasser.

123
    Als der kleine Albert Dard die massive Tür öffnet, ist die Vorderseite seines langärmeligen Hemdes mit Blut befleckt.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, ruft Scarpetta aus und tritt ein. Sie bückt sich und zieht sein Hemd hoch. Auf dem Bauch befindet sich ein aus oberflächlichen Einschnitten bestehendes Schachbrettmuster. Mit einem tiefen Seufzer lässt Scarpetta das Hemd sinken und steht auf.
    »Wann hast du das gemacht?« Sie nimmt seine Hand. »Nachdem sie weg war und nicht wiedergekommen ist. Dann ist er auch gegangen. Der Mann aus dem Flugzeug. Ich mag ihn nicht.«
    »Deine Tante ist nicht zurückgekommen?«Beim Eintreffen hat Scarpetta bemerkt, dass ein weißer Mercedes und Mrs. Guidons alter Volvo vor dem Haus parken.
    »Wo können wir uns um deine Verletzungen kümmern?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich will mich aber nicht drum kümmern.«
    »Aber ich. Ich bin Ärztin. Also los.«
    »Wirklich?« Albert wirkt überrascht, als wäre er nie auf den Gedanken gekommen, dass eine Frau auch Ärztin sein kann.
    Er geht mit Scarpetta nach oben in ein Badezimmer, das wie die Küche schon jahrelang nicht renoviert worden ist. Es ist mit einer altmodischen weißen Wanne, einem weißen Waschbecken und einem Medizinschränkchen ausgestattet, wo Scarpetta zwar Jod, allerdings keine Pflaster findet.
    »Jetzt ziehen wir erst mal dein Hemd aus.« Sie hilft ihm, es über den Kopf zu streifen. »Wirst du tapfer sein? Ich weiß, dass du das schaffst. Sich selbst zu schneiden tut doch weh, oder?«
    Entsetzt betrachtet sie die zahlreichen Narben auf seinem Rücken und den Schultern.
    »Ich spüre eigentlich nichts, während ich es mache«, antwortet er und beobachtet ängstlich, wie sie das Jodfläschchen öffnet.
    »Ich fürchte, das hier wirst du jetzt spüren, Albert. Es brennt ein bisschen.« Sie lügt wie alle Ärzte, wenn die Behandlung höllisch wehtun wird.
    Scarpetta arbeitet schnell; er beißt sich auf die Lippe, wedelt mit den Händen, um das Brennen zu kühlen, und unterdrückt dabei die Tränen.
    »Du bist wirklich tapfer«, sagt sie, klappt den Toilettendeckel hinunter und nimmt Platz. »Möchtest du mir nicht erzählen, warum du angefangen hast, dich selbst zu schneiden? Jemand hat mir gesagt, dass das schon seit ein paar Jahren so geht.«
    Er lässt den Kopf hängen.
    »Du kannst mir ruhig antworten.« Sie nimmt seine Hände. »Wir sind doch Freunde.«
    Zögernd nickt er. »Es sind Leute gekommen«, flüstert er. »Ich habe Autos gehört. Meine Tante ist rausgegangen, also bin ich ihr nachgelaufen. Ich habe mich versteckt. Und dann haben sie eine Frau aus einem Auto gezerrt. Sie wollte schreien, aber sie hatten sie gefesselt.« Er zeigt auf seinen Mund und deutet einen Knebel an. »Und danach haben sie sie in den Keller geschubst.«
    »Den Weinkeller?«
    »Ja.«
    Als Scarpetta sich daran erinnert, dass Mrs. Guidon ihr unbedingt den Cave zeigen wollte, stellen sich ihr vor Angst die Nackenhaare auf. Und jetzt ist sie wieder hier. Scarpetta weiß nicht, wer außer Albert sonst im Haus ist. Außerdem könnte jeden Moment jemand mit dem Auto kommen.
    »Einer der Leute bei der gefesselten Frau war ein Monster.« Alberts Stimme wird schrill, und seine Augen weiten sich panisch. »So wie in den Horrorfilmen im Fernsehen. Mit scharfen Zähnen und langen Haaren. Ich hatte solche Angst, er könnte mich hinter dem Busch entdecken.«
    Jean-Baptiste Chandonne.
    »Und dann mein Hund. Nestle. Sie ist nie wieder nach Hause gekommen!« Er fängt an zu weinen.
    Scarpetta hört, wie unten die Tür aufgeht und wieder zufällt. Dann hallen Schritte durch die Vorhalle.
    »Gibt es hier oben ein Telefon?«, flüstert sie Albert zu.
    Starr vor Angst wischt er die Tränen aus seinem Gesicht.
    Sie wiederholt ihre Frage in drängendem Tonfall.
    Doch er sieht sie nur verständnislos an.
    »Geh und schließ dich in dein Zimmer ein!«
    Er berührt die Wunden an seinem Bauch und reibt darüber, sodass sie wieder zu bluten anfangen.»Los, und mach kein Geräusch!«
    Leise eilt er den Flur entlang und verschwindet in einem Zimmer.
    Ein paar Minuten lang wartet Scarpetta ab und lauscht auf die Schritte im Haus, bis diese verstummen. Sie klingen wie die eines Mannes, also recht schwer. Dann geht der Mann weiter, und Scarpetta klopft das Herz bis zum Hals, da er offenbar auf die Treppe zusteuert. Als sie ihn auf der ersten Stufe hört, kommt sie aus dem Bad, denn sie will verhindern, dass er -

Weitere Kostenlose Bücher