Die Dame aus Potsdam
gesetzt, immer mit dem Hinweis, daß es Bernd schaden würde, wenn ich mich nicht beuge.«
Lupus schüttelte den Kopf.
»Nun mal langsam, Frau Randolf«, sagte Freiberg, »Sie liefern uns ja ein Mordmotiv, wie es stärker kaum sein kann.«
»Aber ich habe ihn nicht umgebracht – ich kann doch keinen Menschen erschießen«, beteuerte sie mit gesenktem Kopf.
Bernd Kalisch räusperte sich: »Herr Kommissar Freiberg!«
»Was wollen Sie? – Ich sagte Ihnen doch…«
»Bitte entschuldigen Sie, aber ich kann nicht länger mit ansehen, wie hart Sie Beate zusetzen.«
»Manchmal ist die Wahrheit hart und tut weh!« ließ sich Lupus vernehmen.
»Ich weiß, Beate will mich schützen«, fuhr Kalisch mit brüchiger Stimme fort. »Aber es ist zu spät!«
»Frau Randolf – was ist nun wirklich passiert?« richtete Freiberg wieder das Wort an sie. »Jetzt kann nur noch die Wahrheit helfen.«
Sie schüttelte schweigend den Kopf. Tränen zogen Spuren über die Wangen.
Bernd Kalisch hatte seine Stimme wieder in der Gewalt. »Herr Kommissar, der Überfall in Potsdam war vorgetäuscht! Beate hat die Makarow an sich gebracht, weil sie damit ihren Peiniger erschießen und dann Selbstmord begehen wollte. Wir hatten, nachdem wir unsere Kontakte abbrechen mußten, einmal Gelegenheit, uns am Griebnitzsee zu treffen, als Randolf an einem Kongreß in Warschau teilgenommen hat. Da habe ich alles erfahren. Ich habe Beate überredet, mir die Waffe zu geben – und sie hat es getan.«
»Heißt das, Sie hatten die ganze Zeit die Pistole in Ihrem Besitz?«
»Ja, und ich habe nicht vergessen, welche Vorgeschichte für Beate damit verbunden war. Sie sollte keine Gelegenheit haben, etwas Unwiderrufliches zu tun. Ich habe immer daran geglaubt, daß wir noch eine gemeinsame Zukunft haben. Aber die ist jetzt auch wohl zerstört.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich habe Valentin Randolf erschossen.«
»O nein, Bernd – sag das nicht!« flehte Beate Randolf.
»Sie wollen mit der Geschichte nur Ihre Geliebte entlasten«, stellte Lupus fest.
»Nein, ich will Ihnen die ganze Wahrheit sagen – und die wird auch Beate weh tun.«
Fräulein Kuhnert schlug langsam das Blatt des Stenoblocks um und nahm einen frisch gespitzten Bleistift.
In Bernd Kalisch löste sich die Spannung, als er zu seiner Erklärung ansetzte. »Beate hat schon geschildert, wie alles gekommen ist. Sie hat es geschafft – und ich sage das ohne Vorwurf –, mich für die Arbeit gegen den Klassenfeind, so hieß es ja, zu motivieren. Dann wurde Liebe draus, und wir wollten heiraten, um möglichst schnell zusammenleben zu können. Aber nach Beginn meines Einsatzes an der DDR-Vertretung in Bonn brach unsere Verbindung ab, und ich habe lange Zeit nicht gewußt, was vorging; meine Briefe wurden nie beantwortet. Nach dieser Enttäuschung habe ich mich wie ein Verrückter in die Arbeit gestürzt. Welcher Mann hat es schon gern, von der Frau, die er liebt, wortlos verlassen zu werden? Ich wurde zu einem hundertfünfzigprozentigen Werkzeug des Systems. Bald war ich Offizier im besonderen Einsatz des MfS, Hauptabteilung III – elektronische Aufklärung.«
Kommissar Freiberg stellte keine Fragen; er nickte nur.
»Ich hatte den streng geheimen Auftrag, die DDR-Botschaft in Bonn zu einem elektronischen Lauschposten erster Güte auszubauen. Mit der neuen Technik konnte alles erfaßt werden, was elektrische Signale von sich gab; zum Beispiel an die zweihunderttausend Autotelefone und große Teile des NATO-Netzes. Mit den Abhörkegeln unserer Spezialantennen in Bonn und Düsseldorf konnten wir überall dabeisein, wenn telefoniert oder gefunkt wurde. In den Gegenden, wo die Antennen nicht ausreichten, liefen Lastwagen von linientreuen Speditionsunternehmen mit Funkpeilanlagen, Richtmikrofonen und Recordern im Laderaum…« Kalisch unterbrach seine Schilderung. »Sie wissen doch, daß ich mich eines Tages aus der DDR-Vertretung abgesetzt habe, um mich dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln zu offenbaren?!«
»Das ist uns nur zu bekannt«, bestätigte Lupus. »Aber wie kommt nun Valentin Randolf ins Spiel?«
»Nach der Wende hatte ich gehofft, daß der ganze Spuk ein Ende haben würde. Ich war, wenn auch spät, vom real existierenden Sozialismus geheilt und hatte einen guten Job. Eine ganze Weile hatte ich sogar gehofft, mit Beate… Nun, ich erfuhr, daß sie inzwischen verheiratet war – mit dem Mann, der sie eingesetzt hatte. Ich habe sie erst am Sonnabend bei Munskaus
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