Die Delegation
fünfzig kanadische Dollar Reproduktionshonorar vom SUDBURY STAR, mehr nicht! Kein Betrag also, für den es sich lohnen würde, die Leser mit einer zeitraubenden und mühseligen Fotomontage betrügen zu wollen. Allerdings viel Geld, wenn es nur darum ging, sich einen Scherz zu machen.«
Eine niedrige Häuserzeile neben der Bahnlinie. Roczinski steht vor dem Drugstore. Die Straße wird gerade aufgerissen. Louis Salan lehnt in der offenen Türe, knöpft den weißen Mantel zu. »Louis Salan, Besitzer von Drogerie und Labor, Präsident des Foto-Clubs hier in Sudbury, Franco-Kanadier, ist allerdings, so scheint es, kein Mann von Humor, kein Freund von Späßen.«
Salan scheint magenkrank zu sein, er hat einen verkniffenen, mißmutigen Zug um den Mund.
Die Sache mit dem Fernsehen paßt ihm nicht so recht. Nervös fährt seine Hand über die hohe, kahle Stirn. Als Roczinski zu ihm tritt, dreht er sich wortlos um und geht in seinen Laden. Die Kamera folgt mit Roczinski.
Das übliche Drugstore-Sammelsurium: Medikamente, Waschmittel, Taschenbücher, Zahnbürsten, Ice-Cream, Werkzeug, Strümpfe, Fotoartikel, Kinderspielzeug, Hotdogs und Coca-Cola.
Zwei Arbeiter an einem winzigen Tisch: Sie essen ›Hamburgers‹ und trinken Dosenbier. Musikberieselung. Hinter dem Ladenraum ein Porträt-Studio: weißer Sessel vor goldfarbenem Samtvorhang, einige Lampen. Kinder- und Hochzeitsfotos an der Wand. Gleich daneben ist das kleine Labor.
Im Vorübergehen macht Salan etwas Ordnung. Dann fischt er eine Tüte aus einem Regal und holt ein zusammengerolltes Kleinbild-Negativ heraus. Dabei schwätzt er vor sich hin, englisch mit französischem Akzent:
»Television always lies…« Roczinski übersetzt und kommentiert.
»Das Fernsehen lügt immer, sagt Salan. Sie kommen und fragen und du redest, und hinterher machen sie dich fertig, so mit Ironie. Ich erkläre ihm, daß ich an Phänomene dieser Art nicht glaube, und daß es nun an ihm liegt, mir Beweise zu liefern.«
Die Leuchtstoffröhre eines Lichtkastens flammt auf. Salan entrollt den Kleinbildfilm. Auf dem Negativ erkennen wir: die Gräser, die Distelblüten gegen den Himmel, die UFOs, die über den Horizont kommen, die über dem Dach schweben, im Wald verschwinden.
Salan hält eine Lupe über das Negativ: kein Trick, kein doppelter Boden. Die Aufnahmen scheinen authentisch zu sein. »Ist das alles?«
»Ja«, sagt Salan. Aber dann zögert er. »Kommen Sie mit. Kommen Sie vor in den Laden.« Und dort begeht Salan eine Indiskretion.
Die Arbeiter gehen. Ein Mädchen räumt den kleinen Tisch am Fenster ab.
Draußen schiebt sich ein unendlich langer Güterzug vorbei) ›Canadian Pacific‹.
Aus dem Lautsprecher plärrt der Schlager ›Le grand Manitou‹, es folgt eine Ansage von Radio Montreal auf französisch. In seiner Fotoecke wühlt Salan in einer Schublade mit den fertigen Kundenarbeiten. Er findet ein Kuvert, leert den Inhalt auf die Theke: ein Rollfilm-Negativ sechs mal sechs, dazu zwölf Kopien im gleichen Format. Schwarz-weiß. Salan schiebt die Fotos über die Glasplatte zu Roczinski. Er legt sie in eine bestimmte Reihenfolge, rollt das Negativ auf, hält es gegen das Licht, korrigiert die Anordnung. »These pictures were taken by a young lady…«
»Das hier sind die Bilder einer Kundin. Sie lebt hier in Sudbury. Gestern brachte sie den vollen Film und kaufte sich einen neuen. Heute früh habe ich ihn entwickelt und diese Kopien hier gemacht.
Die Aufnahmen liegen jetzt in der Reihenfolge, wie sie entstanden sind.
Es ist nicht meine Art, die Arbeiten von Kunden herzuzeigen, ganz und gar nicht meine Art. Aber Sie wollen ja Beweise.«
Es sind, so scheint es, die üblichen Familienfotos: Eine alte Dame mit weißen Haaren steht vor einem kleinen Holzhaus im Grünen, Blumen im Arm, fein aufgeputzt; sie blickt ernst und gefaßt in die Linse des Apparates. – Auf dem zweiten Bild lächelt sie bereits. Dann ist sie umgeben von einigen freundlichen älteren Menschen. – Der Tisch auf der Veranda ist festlich gedeckt. – Die alte Dame schneidet die Geburtstagstorte an. Schließlich hat die ganze Gesellschaft am Kaffeetisch Platz genommen.
Nach diesen sechs Aufnahmen folgen vier Fotos in einem völlig anderen Stil. Sie wirken fremd, hell überstrahlt, bleiben unscharf und verwischt – denn Roczinski läßt die Filmkamera rasch darüber hinweggleiten.
Dann wieder zwei Bilder, die letzten der Serie, an denen nichts Besonderes auffällt: ein kleiner Hund, ein Spaniel, auf
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