Die Delfine von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
um sie herum. Irgendwie musste sie es jetzt schaffen, den Wal zu steuern und die Passagiere an Land zu bringen. Ratlos griff sie nach dem Hebel.
»Kann ich dir helfen?«, fragte auf einmal jemand hinter ihr.
Sheila blickte sich um. Neben ihr stand ein junger Mann. Sie lächelte schwach.
»Ich muss den Wal in Gang setzen. Ich hab zwar vorhin zugeguckt, wie Irden ihn gesteuert hat, aber ich bin nicht sicher, ob ich es auch hinkriege.«
»Vielleicht schaffen wir es gemeinsam«, sagte er. »Ich steuere zwar hauptsächlich Fischerboote, und dieses – tja – Ding ist eine Nummer größer, als ich es gewohnt bin, aber ich kann es ja trotzdem mal versuchen.« Er lachte sie an.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Sheila und deutete auf das Leck. »Es fließt immer mehr Wasser herein.«
»Ja, dieser Kahn hier ist wirklich ziemlich marode.« Der Mann ließ sich von Sheila die Hebel und die Steuerung zeigen. »Zaidon hat den Wal ja schon ewig lang benutzt.«
Er beugte sich über die Geräte und versuchte herauszufinden, wie sie funktionierten.
Er ist wirklich ein erfahrener Seemann, dachte Sheila, als es ihm kurze Zeit später gelang, den Wal in Bewegung zu setzen und zu manövrieren.
Schwerfällig bewegte sich das Gefährt mit den Passagieren auf die Küste zu. Das Leck wuchs weiter, und inzwischen stand das Wasser am Boden knöchelhoch. Einige Leute versuchten erneut, die Öffnung abzudichten, aber die Wand wurde zunehmend poröser.
»Hoffentlich hält der Wal noch durch«, sagte Sheila besorgt.
Doch der Fischer war zuversichtlich, dass er alle heil an Land bringen würde.
Es schien auch so, als sei das Glück auf ihrer Seite. Das Ufer war nicht mehr weit entfernt, doch dann lief der Wal plötzlich auf Grund. Es gab einen Ruck und ein lautes Knirschen. Einige Leute fielen um oder rutschten ein Stück den Boden entlang. Dann rührte sich der Wal nicht mehr – egal, was Sheilas Helfer auch versuchte.
Es blieb den Passagieren nichts anderes übrig, als den Wal durch die Schleuse zu verlassen und das letzte Stück bis zum Strand zu schwimmen.
Als Sheila an die Wasseroberfläche tauchte, versuchte sie noch einmal, sich in einen Delfin zu verwandeln.
»Delfin, Delfin, Bruder mein.
So wie du möcht ich gern sein!
Dein Zuhaus’ sind Meer und Wind.
Ach, wär ich doch ein Wasserkind!«
Es klappte nicht mehr. Sheila war ein bisschen traurig darüber. Es war nun also wirklich vorbei.
Der junge Fischer schwamm neben ihr, und sie erreichten gleichzeitig den Strand. Es war schon dämmrig, als sie aus dem Wasser stiegen und über den Sand liefen.
Als Sheila stehen blieb und sich umsah, erkannte sie den Strand wieder. Es flackerte diesmal nur ein Windlicht – die meisten Sommergäste waren schon abgereist.
»Das gibt’s nicht«, stieß Sheila überrascht aus. »Das ist ja unser Ferienstrand!«
»Ja, den Weg kenne ich immer noch in- und auswendig.« Der junge Mann lachte. »Ich stamme nämlich von hier.«
»Warst du … waren Sie eigentlich lange versteinert?«, fragte Sheila.
»Du kannst ruhig ›Du‹ sagen«, bot er an. »Ich heiße übrigens Gavino. Ich weiß nicht, wie lange ich in Stein verwandelt war. Welches Jahr haben wir denn?«
»Gavino«, wiederholte Sheila, ohne auf seine Frage einzugehen. Sie starrte ihn an. War er es? Das altmodische Hemd war nass vom Wasser, aber es sah aus wie das Hemd auf dem Foto, das sie in der Nachttischschublade ihrer Mutter gefunden hatte.
Das Bild mit Sabrina und Gavino.
»Gavino«, sagte Sheila noch einmal, und ihre Kehle wurde ganz eng.
»Stimmt was nicht?«, fragte Gavino, hob den Kopf und begegnete ihrem Blick. »Was ist denn los? Du guckst so …«
»Ich glaube«, krächzte Sheila, »äh … es kann sein … äh … du … du … bist vielleicht mein Vater.«
»Hey«, sagte er und lachte. »Weißt du, wie alt ich bin? Dreiundzwanzig. Wie kann ich da eine circa zwölfjährige Tochter haben?«
»Ich bin dreizehn«, sagte Sheila. »Und du hast vergessen, dass du viele Jahre auf dem Meeresgrund versteinert warst. Meine Mutter heißt Sabrina.«
Gavino hielt inne. »Was sagst du da?«
Sheila war sich jetzt sicher, dass er der Mann auf dem Foto war. Sie erinnerte sich genau: das schwarze Haar, die schmale Nase und das fröhliche Lachen vorhin. Alles passte.
»Sie heißt Sabrina«, wiederholte sie. »Sie hat vor knapp vierzehn Jahren Urlaub auf Sardinien gemacht und sich verliebt. In einen Mann, der Gavino hieß. Es gibt sogar ein Foto. Und eines Tages
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