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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Extrawurst. Die bayerische Weißwurst. Sie ist doch nur einem Fehlfabrikat zu verdanken. Der Moser Sepp war’s, der die rettende Idee hatte, 1857. Die falschen Därme wurden angeliefert, und das Wurstfleisch war schon angerichtet, und so hat der Moser die Würste, damit nichts Schlimmeres passierte, nicht gebraten, sondern nur gebrüht. Jetzt ist es Geschichte. Der Moser Sepp ist in der Geschichte.
    Der Weißwurstäquator verläuft an der Mainline entlang. Nördlich davon ist Preußen, im Süden liegen Neuschwanstein und Andechs.
    Apropos Preußen, sagt der Mann. Bismarck soll gesagt haben: Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.
    Das kommt nicht gut an.
    Wir sind hier in Köln, sagt jemand.
    Können Sie mir vielleicht eine preußische Wurstsorte nennen? Wir ziehen die Thüringer Rostbratwurst vor.
    Jemand singt: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Das ist Wurstologie.
    Man steht also vor der Bude und isst eine Wurst, und wenn man die Pappteller und die Essensreste in den Mülleimer geworfen hat, macht man unwillkürlich ein paar schnelle Schritte, als rufe die Pflicht, wie es früher hieß. Heute ist es aber nur, als eilte man einem imaginären Bus nach, der gerade die Türen schließt, und im Bus sitzt der deutsche Calderon, und zu dem möchte man ja auch mal was sagen. Das Leben ist ein Traum, okay, möchte man wenigstens einmal gesagt haben, aber worin besteht der Traum? In diesem Augenblick gehen die Bustüren noch einmal auf, und aus dem Bus steigt einer der beiden Fernseh-Kommissare.
    Worum geht es, fragst du. Und was sagt er?
    Es geht natürlich um die Wurst, sagt er.
    Um die Wurst?, fragst du.
    Worum sollte es denn sonst gehen, fragt er, wenn nicht um die Wurst, um den Traum vielleicht?
    Sind Sie der deutsche Calderon, fragst du, der Mann, der das Leben für einen Traum hielt und sich selbst für einen Spanier?
    Nein, nein, ruft er lachend und ist bereits vor dem Kioskfenster angekommen und sagt: Einmal Curry mit Pommes.
    Curry. Das ist die Berliner Wurst. Wie München seine Weißwurst hat, so hat Berlin seine Currywurst. Herta Heuwer hat sie erfunden. 1949. Zumindest hat sie ihre Soße patentiert. Zehn Jahre danach, in München.
    Calderon wird gegenüber am Theater gespielt. Dort, im alten Saal, ist das Leben ein Traum, wie man hört. In Köln? In Berlin? Von der Wurstbude aus kann man alles ganz gut erkennen. Den Theatereingang und die Leute davor. Man sieht, wie sie ihre Lippen bewegen, aber man kann nicht hören, was sie sagen. In der Pause kommen sogar einige herüber zur Wurstbude. Das ist schick. In Berlin.
    Heute sind sie im Theater und morgen im Museum. Im ersten Currywurst-Museum Deutschlands. Gleich hinter dem Checkpoint Charlie. Aber in der Schützenstraße. Im Ostteil der Stadt, wie der Berliner sagt. Der Westberliner.
     
    >Abendbrot, Bierdurst, Kleinstaaterei, Weihnachtsmarkt

Zerrissenheit
     
    Zwei Seelen wohnen, ach … was für eine Untertreibung! Ein Seelenschwarm flattert in meiner Brust. Ordnung tut Not. Die Ordnung ist mir so teuer, dass ich sie kaum bezahlen kann. Und dann muss ich wieder alles verwirbeln, in Zweifel ziehen, tief hinab, der Überblick droht baden zu gehen.
    Sorglos schweife ich durch die Natur, ein Liedchen auf den Lippen, dort sehe ich den kranken Baum, und Falten! Falten! furchen meine Stirn. Ich möchte ihm meinen halben Mantel geben. Der Baum winkt ab und senkt die Krone. Ich töne: Vorsprung durch Technik! und schäme mich. Naturdieb bin ich, Wilderer, Wildsau und Freischütz in einem. Sechs Kugeln treffen ihr Ziel, die siebente gehört dem Teufel. Die Hoffnung, am Ende die Welt zu retten, gebe ich dennoch nicht auf.
    Ich bin ein einsamer Gesell. Und Mitglied in sämtlichen Vereinen. Wandern, Turnen, Karneval, nichts Menschliches ist mir fremd. Meine Beiträge überweise ich stets pünktlich. Am Abend öffne ich ein ehrliches Bier und streiche mir Leberwurst aufs Brot. Arbeit muss sein, Muße aber auch. Aus dem Radio schwebt eine andächtige Musik. Die Fäuste, die eben noch schufteten, falten sich gen Himmel. Das Höchste ist mir gerade hoch genug. Mein Geist versenkt sich ins Unaussprechliche. Und wühlt nach Worten.
    Gemütlich ist meine Heimat, trotzdem kann ich es nicht lassen: Es zieht mich hinaus in die Ferne. Die Kompassnadel kreist. Osten, Westen, Norden, Süden, ich bin nach allen Seiten offen. Mein Marsch ist pazifistisch geworden. Heiße Kriege kenne ich nur noch vom Hörensagen, auch

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