Die deutsche Seele
Familiengeschichte vermittelt, durch Fiktion. Und es funktionierte! Interessant ist, dass in der vom WDR bearbeiteten deutschen Fassung des TV-Vierteilers am Schluss sieben Minuten fehlen. Im amerikanischen Original geht es darin um einen Überlebenden, der nach Israel kommt, um beim Aufbau des neuen Staats zu helfen.
Es folgten der Historikerstreit und Schindlers Liste, die Goldhagen-Debatte und die Wehrmachtsausstellung. Obwohl diese Ereignisse demselben Zweck zuzuordnen sind, fiel ihr Echo doch sehr verschieden aus. Die Auschwitzprozesse trafen die deutsche Öffentlichkeit der sechziger Jahre ins Mark. Man führte sich zum ersten Mal vor Augen, was da wirklich zu verhandeln war. Schindlers Liste hingegen war ein Rührstück um einen sogenannten Judenretter, eine Identifikationsfigur, wie sie Hollywood dem Deutschen als Zuschauer anzubieten hatte. Eine individualistisch überarbeitete Neuauflage des Persilscheins. Beim Historikerstreit lässt sich heute kaum noch sagen, worum es eigentlich ging. Und Goldhagen sprach ein weiteres Mal den Persilschein an, genau genommen dessen Kehrseite. Er sah die Freigesprochenen als willige Helfer der Verbrecher. Damit wurde im vereinigten Deutschland der Versuch unternommen, die Vergangenheitspolitik in den neuen politischen Alltag einzukleben und der deutschen Gesellschaft, vor allem ihrer eventuellen politischen Emanzipation, Grenzen zu setzen. Ähnliches bezweckte auch die Wehrmachtsausstellung. Auch sie sollte das weite Spektrum der Täterschaft dokumentieren. Sie markierte aber den ersten Kollisionspunkt in der Wahrnehmung der totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung eröffnete durch ihre falschen Bildzuordnungen von Kriegsverbrechen in Galizien, der heutigen West-Ukraine, unfreiwillig die Vergleichsdebatte zwischen Holocaust und Gulag.
Nach all den Jahrzehnten ist festzustellen, dass es nicht mehr um die große Geste der Wiedergutmachung geht, sondern um die Situation von heute. Wie viel man wirklich aus den Schrecken von Auschwitz gelernt hat, zeigt sich in unserem Verhältnis zu Israel. Es geht nicht darum, den Antisemitismus immer wieder zu seinen Wurzeln zurückzuführen und mit dem Finger auf Bayreuth zu zeigen, sondern ihn in seinen heutigen Erscheinungsformen zu erfassen. Aus der Vergangenheit lernt man für die Gegenwart, oder man lernt gar nichts.
>German Angst, Grundgesetz, Krieg und Frieden, Kulturnation
Winnetou
Winnetou kennt man in Amerika nicht. Das war zumindest für Winnetou Zuckmayer ein Segen. Als sie mit ihren Eltern auf der Flucht vor den Nazis nach Vermont, USA, kam, sprach sie keiner mehr wegen ihres Namens an.
Den Namen Winnetou hatte sie wohl einer Laune ihres Vaters, des Schriftstellers Carl Zuckmayer (1896- 1977)i zu verdanken. Er liebte Karl Mays Werk. Einem Zuckmayer sieht das die Germanistik nach. Schließlich war der Mann in einer literarischen Sache konsequent, er strebte die Volkstümlichkeit an, und sein Glaube an das Gute im Menschen war schier unerschütterlich.
Der Wunsch, Indianer zu sein. Karl-May-Buchumschlag von der Jahrhundertwende 1900.
Irgendwie trifft das auch auf Karl May (1842-1912) zu, unter dessen hoch geschätzten Bekanntschaften sich die mitteleuropäische Friedensdiva der Zeit Bertha von Suttner befand. Mays letzter großer Auftritt war, von der Suttner vermittelt, 1912 in Wien, anlässlich seines Vortrags Empor ins Reich der Edelmenschen.
Und noch etwas haben Zuckmayer und May gemeinsam. Ein ausgeprägtes Bewusstsein, deutsch zu sein, aber ohne die sprichwörtliche Überheblichkeit, die man dabei erwartet. Seine liebevolle Charakteristik des Hauptmanns von Köpenick macht Zuckmayers komödiantisches Verhältnis zu den zackig ausgerufenen Tugenden, bei denen so mancher keinen Spaß mehr verstand, deutlich. Wer aber Preußen den Ernst nahm, lebte noch 1930 durchaus gefährlich.
Hätte es die falschen Verteidiger des Hauptmanns von Köpenick, die Stiefelwichser der SA, nicht gegeben, wäre Zuckmayer ein unterhaltsamer Theaterschreiber geblieben, und sein Der fröhliche Weinberg hätte noch ein paar ausgelassene Geschwister bekommen. Es sollte nicht sein. Auch Zuckmayer geriet in den Weltanschauungskrieg.
Aber Zuckmayer wäre nicht Zuckmayer, hätte er es nicht post factum fertiggebracht, eine Hommage an den prominenten Flieger und Nazikollaborateur Ernst Udet mit ambivalenten Sympathien auszuschmücken, die das Werk zum großen Nachkriegsstück tauglich machten, und in der Verfilmung
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