Die Diagnose: 1 (Über den Sternen) (German Edition)
Gerichtstermin
Ich war unterwegs um endgültig mit meinem alten L eben zu brechen. Ich fuhr mit meinem 18 Jahre alten Renault Clio gerade auf den Parkplatz des Gerichtsgebäudes.
Es ist der Tag meiner Scheidung. Die gesetzliche Tre nnung von meiner Frau Claudia. Es ist jetzt fast schon 1 Jahr her, als sie mir ganz lapidar mitteilte, dass sie mit mir nicht mehr leben könnte und ausziehen werde. Unsere kleine, zweieinhalb Jahre alte Tochter lebte jetzt ebenfalls bei ihr und ihrem neuen Freund Ronny.
Ich sah die beiden bereits auf dem Weg vom Par kplatz zum Eingang des Gerichtsgebäudes, ein modernisierter Altbau.
Sie saßen mit meiner Tochter Carolin zusammen auf einer der zwei Kunststoffbänke vor dem übe rdachten Eingangsbereich. Als meine Tochter mich sah, kam sie auf mich zugelaufen und ich nahm sie in den Arm. „Hallo“, war das einzige, was sie sagte. Seit der Trennung hatte sie Probleme mit dem Sprechen. Deswegen hatte Claudia auch durchgesetzt, dass ich sie nicht mehr so oft besuchen sollte. Das wäre angeblich das Hauptproblem für ihre Sprechverweigerung. Sie würde das ständige Abholen und Zurückbringen am Wochenende nicht verkraften.
Ob das wirklich so ist oder nicht, kann ich selbst nicht bewerten. Trotzdem habe ich nachgegeben. Ich wollte ja nur das Beste für meine Kleine.
Ich sprach nur kurz ein paar Worte zu Carolin, als schon mein Rechtsanwalt eintraf.
Ich setzte die Kleine ab, sagte: „Tschüss“ und ging mit dem Anwalt Richtung Eingangsportal. Carolin und Ronny blieben zurück, nur Claudia und ihr Anwalt folgten. Ich spürte noch die Blicke von Carolin in me inem Nacken, die diese mir traurig nachschickte.
Der Scheidungsprozess dauerte eineinhalb Stunden und war ziemlich unspektakulär. Ich dachte immer noch an die vergangenen sieben Ja hre und unsere Beziehung. Ich verstand nicht, wie diese so ganz und gar zerbrechen konnte. Als vor etwas über zwei Jahre Carolin geboren wurde, war das doch der Höhepunkt für unsere Zweisamkeit, dachte ich mir. Ein viertel Jahr vor der endgültigen Trennung schrieb sie noch einen Liebesbrief: „Mein lieber Schatz, sei nicht traurig, dass ich dich demnächst für einige Wochen verlassen muss, aber was willst du mit einer kranken Frau? Vergesse niemals, wie lieb ich dich habe. Du und unsere Tochter seit mein ein und alles, auch wenn du schlechte Träume hast und es mir nicht glauben willst. Zwischen uns darf sich nichts stellen.“ Das waren ihre geschriebenen Worte, datiert 02.04.2027. Ich weiß bis heute nicht, was sie mit ‚kranker Frau’ gemeint haben könnte.
Ich erinnere mich noch sehr genau an die Zeit vor etwa einem Jahr.
Claudia war endgültig ausgezogen. Ich hatte ihr am Tag zuvor noch geholfen, die Pflanzen und Kleider, die sie in Plastiksäcke verpackt hatte, ins Auto zu tragen. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass sie ohne nach ihrem Kind zu fragen einfach gegangen ist.
Es war Abend. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Hatte aber auch keinen Hunger. Ich saß im Wohnzimmer und versuchte mich mit einer Flasche Cognac zu beruhigen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Gedanken rauschten nur so an meinem Bewusstsein vorbei. Wie sollte es überhaupt weitergehen. Ich hatte keinen Job. Hatte das Haus mit Hypothek und ein kleines Kind von einem Jahr. Ich hatte mich noch niemals so alleine gefühlt, so hilflos wie damals.
Die gemeinsame Vergangenheit mit Claudia zog immer wieder an mir vorbei. Die schöne Zeit. Und jetzt vol lkommen alleine.
Ich glaube das war das schlimmste. Nicht zu wi ssen warum Gefühle einfach Wegbrechen. Ich hatte überhaupt keine Chance etwas zu ändern. So saß ich im Wohnzimmer mit meiner Flasche Cognac und verbrachte die ganze Nacht mit Nachdenken. Am nächsten Morgen war die Flasche leer, ich jedoch absolut nüchtern.
Aus und vorbei!
Der Kontakt seit der Trennung jedenfalls war nur auf das Wesentliche beschränkt worden, von ihrer Seite.
„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Die am 15.05.2021 geschlossene Ehe vor dem Stande samt in Odersberg zwischen Herrn Jörg Haiden und Frau Claudia Haiden, geborene Stein, wird geschieden. Das Sorgerecht der gemeinsamen Tochter Carolin wird der Mutter zuerkannt.“
Ich wollte nur noch weg von hier. Alte Wunden brachen wieder auf. Meine Gefühle rutschten in Trauer und Selbstmitleid. Ich verabschi edete mich auf dem Flur ziemlich schnell von meinem Anwalt und ging raschen Schrittes in Richtung Ausgang. Ronny und Carolin saßen
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