Die Dirne vom Niederrhein
hatte.
»Hast du einen Schlag auf den Kopf bekommen? Wie ist dein Name?«
»Mein Name ist Maximilian. Maximilian Cox aus Kempen«, antwortete er. »Und wer seid Ihr?«
»Kannst du arbeiten?«, wollte sie wissen, ohne ihm eine Antwort zu geben.
Für einen Moment waren seine Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse fortgespült, wie der Gestank einer Jauchegrube nach einem Regenguss. Der alte, stolze Maximilian versuchte, sich zu erheben. Er atmete die frische Luft des Morgens ein, wollte sich in die Höhe recken, doch seine Beine gaben augenblicklich nach.
»Sieh einer an«, stellte die Nonne fest. »Vielleicht wird es nach einer Mahlzeit besser. In dieser Verfassung kann ich dich nicht gebrauchen.« Sie machte einen Schritt zur Seite und warf ihm den Eimer zu.
Nur mit Mühe war er in der Lage, ihn zu fangen.
»Willst du hier Wurzeln schlagen? Es gibt viel zu tun. Der Sturm hat das Dach abgedeckt, eine Scheune ist eingestürzt und der Zaun ist umgefallen«, kritisch beäugte sie Maximilian. »Bist du imstande, das alles zu reparieren?«
Eigentlich sollte er nicht hier sein. Nicht in einem Kloster, nicht wenn Gott auf Rache sann und ihm gestern nach dem Leben getrachtet hatte. Er musste verrückt sein, wenn er sich in dieses Haus traute. Doch sein Geldbeutel war leer und mit ihm sein Magen. Zaghaft machte er den ersten Schritt an der Nonne vorbei.
»Mein Name ist Schwester Agathe und du befindest dich im Franziskanerinnenkloster Sancti Pauli Bekehrung.«
Gemeinsam gingen sie durch die flache Eingangshalle. Maximilian zuckte innerlich zusammen, als er die schlichte, hölzerne Ausstattung und die Kreuze sah, die an den Wänden angebracht waren. Er hatte Mühe, den langen Schritten der Nonne zu folgen, dazu sprach sie schnell, während sie durch die Gänge eilten.
»Wenn du arbeitest, kannst du bleiben. Der Vorsteher dieses Konvikts ist Vikar Nikolas Weisen. Ihn wirst du nach dem Essen kennenlernen«, erneut blickte sie an seiner zerlumpten Kleidung herab. »Wir sollten dich vorher neu einkleiden und zum Allmächtigen beten, dass der Vikar dich nicht des Hauses verweist.«
Unter den dicken Staubschichten der Erinnerungen begann Maximilians Verstand zu arbeiten. Vater hatte ihn und Lorenz mehrmals mit nach Viersen genommen. Sogar über das Nonnenkloster hatte er gesprochen, wenn sie hier ihre Waren auf dem Markt verkauft hatten. »Sollte das Kloster nicht von einer Oberin geführt werden?«
Unvermittelt wurde der Schritt der Schwester langsamer, ein kurzer Blick zum massigen Holzkreuz folgte, schließlich blieb sie stehen.
»Tatsächlich erhielten wir im Jahre des Herrn 1438 das Recht, Oberinnen zu wählen. Doch unser Vorsteher führt nun diesen Konvent. Er hat viel Geld und Mühe für das Kloster aufgewandt, und das in einer Zeit, in der man ungern etwas entbehrt.«
Maximilians Blick blieb an den Kreuzen hängen. »Er hat sich also diesen Posten gekauft«, murmelte er. »Muss gute Verbindungen nach Kurköln haben.«
»Schweig!« Die durchdringende Stimme Schwester Agathes hallte im Gemäuer wider. Voller Zorn funkelte sie ihn an. »Wenn du dein Mundwerk nicht beherrschen kannst, ist dies der falsche Ort für dich, Bursche. So zu reden – das ist gefährlich in unseren Zeiten.«
Hunger und Schwäche rieten Maximilian, auf ihre Schelte nicht zu reagieren. Nach einigen Momenten setzte Schwester Agathe ihren Weg durch das Kloster fort.
»Der Vikar hatte bereits Männer angefordert, welche die Arbeiten in unseren Räumlichkeiten übernehmen. Leider sind die meisten, die dazu körperlich in der Lage wären, im Krieg gefallen oder geflohen, sodass wir niemanden fanden, der diese Aufgaben erledigen kann.« Sie deutete auf den Gang zu ihrer Rechten. »Dort ist die Krankenstube, Doktor Sylars Reich.«
Sie hielt kurz inne, als würde eine unheimliche Macht von diesem Teil des Gebäudes ausgehen. In ihren Augen entdeckte er, was er bei vielen Menschen gesehen hatte, bevor sie in den Krieg zogen. Es war eine Art Abscheu, durchsetzt von Angst. Hatte sich gerade wirklich ein Mundwinkel in dem eingemeißelten Gesicht der Nonne bewegt? Es musste nur ein kurzes Zucken gewesen sein, als wäre sie voller Melancholie in Gedanken versunken.
»Ich für meinen Teil rate dir, nicht krank zu werden«, flüsterte sie und zeigte auf eine große Treppe. »Dort oben sind die Schlafsäle der Schwestern, ich muss natürlich nicht erwähnen, dass die für dich absolut tabu sind. Die Mägde schlafen im hinteren Teil und weiter den
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