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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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freuen. Ihre
Eltern scheinen noch weniger Geld zu haben als meine Mutti. Und schon ihr fällt
es schwer, mich auf die teure Schule zu schicken!
    Diese schwierige Lage bestand freilich
erst, seit Tarzans Vater — ein Diplomingenieur — bei einem Unfall verstorben
war. Tarzans Mutter, an der er mit großer Liebe hing, arbeitete nun als
Buchhalterin — und nahm Entbehrungen auf sich, um ihren einzigen Sohn auf eine
der besten Schulen zu schicken. Tarzan wußte das genau, war dankbar dafür und
bemühte sich, gute Leistungen zu bringen. Nicht umsonst war er einer der besten
Volleyballspieler, ein Mathe-Einser und auch ansonsten ein guter Schüler — freilich
ohne in den Ruf einer Streberleiche zu kommen. Dafür sorgte schon sein
Tatendrang, seine Abenteuerlust, seine kritische Auseinandersetzung mit allem,
was man ihm abverlangte, und seine angeborene Selbständigkeit. Außerdem:
Ungerechtigkeit empörte ihn. Wo auch immer er darauf stieß — sofort setzte er
sich für den Betroffenen ein, ohne Rücksicht auf sich selbst.
    Für einen Moment war er in Gedanken
versunken. Er spreizte die Beine, ließ die Arme locker zwischen den Knien
baumeln und stierte zu Boden, wo Ameisen winzigen Unrat beiseite schleppten.
    „He!“ meinte Gaby mit zartem Schmelz in
der Kehle. „Mach dich nicht so breit. Du sitzt mir ja fast auf dem Schoß.“
    Demonstrativ (deutlich) versuchte sie, zur Seite zu rücken. Knirschend riß Stoff.
    „Was“, sie erstarrte, „war das?“
    „Was meinst du?“ fragte Tarzan.
    „Ich... bin festgewachsen.“
    „Wie?“
    „Festgewachsen! Ich kann nicht...“ Sie
versuchte aufzustehen. Es ging nicht.
    Wieder erklang dieses knirschende
Ritschratsch unter ihrem Po.
    „O Gott!“
    Fassungslos stemmte sie beide Hände auf
die Bank, um sich hochzustemmen.
    Riiitschraaatsch...
    „Ich klebe fest!“
    Tarzan lockerte den harten Biß seiner
kerngesunden Zähne. Nein! dachte er. Kann nicht sein! Willi ist manchmal mit
dem Steinbeil behämmert. Und manchmal verstellt er sich und spielt den doofen
Deppen. Aber... das — tut — er — nicht! Himmel, ich wage nicht, ihn anzusehen.
Aber ich muß.
    Er stand auf. Bei ihm ging’s.
    „Willi!“
    Klößchen kauerte am Ende der Bank, die
unter der schattigen Linde stand auf dem idyllischen Hinterhof.
    „Willi!“
    Klößchen hatte den Kopf eingezogen. Auf
seinem Mondgesicht stand Schuldbewußtsein wie ein dickes Ausrufungszeichen.
Seine Mundwinkel zuckten, als werde er gleich in Tränen ausbrechen.
    „Willi“, sagte Tarzan mit hohler
Stimme, „hast du — wissentlich — Superkleber auf Gabys Sitz geschmiert, während
sie Malwine vor Oskar rettete? Oder... Du blöder Hund! Soll das ein Spaß sein?“
    „Ja!“ Klößchens Schokoladenstimme
piepste kläglich. Malwine hätte ihn übertönt. „Ein Spaß! Ich wußte ja nicht,
daß er — sooo wirkt. Daß Stoff auf Holz klebt... Ich meine... Pfote! Sei mir
nicht böse! Ich ersetze dir die Hose. Ich kaufe auch eine neue Bank, wenn diese...
Wie mit dem Brett vor meinem Kopf... O verdammt! Also, ich mach’s nicht wieder!“
    Gaby stand auf. Mit einem Ruck.
    Knirschend zerriß der Stoff ihrer
Jeans.
    Tarzan starrte mit offenem Mund,
entgeistert.
    Der Hosenboden der Jeans klebte,
dauerhaft und für immer, auf der Bank.
    Gabys Rückseite wurde von der
Nachmittagssonne bestrahlt. Sie, Gaby, stemmte beide Fäuste in die Hüften und
baute sich vor Klößchen auf.
    „Du dämlicher Dickwanst!“ rief sie. „Was
bildest du dir ein! Bin ich ein Versuchskaninchen für euren Superkleber? Den
Mund sollte ich dir damit zukleben. Dann würde endlich der Schokoladenpreis
sinken, weil dein Vater mehr verkaufen könnte und du ihm nicht mehr die
Fabrikhallen leer frißt. Jetzt sind meine Jeans kaputt. Aber noch schlimmer
ist, daß du mir so was antust.“

    Klößchen schluckte. „Entschuldige,
Pfote! Es tut mir ja so leid. Nur einen Klecks habe ich auf die Bank getupft.
Es sollte ein Spaß sein. Aber... Hau mir eine runter! Ehrlich!“
    Gaby begann zu lachen. „Unsinn! Dir,
Karl und Tarzan würde ich nie eine reinhauen. Wir sind doch Freunde, oder? Das
heißt“, ihr Blick wanderte zu Tarzan, „bei dir könnte ich mich mal vergessen.“
    Klar! dachte Klößchen. Aber ihn würdest
du auch heiraten, wenn wir zehn oder 15 Jahre älter wären. Na ja! und älter
werden wir bestimmt.
    Tarzan grinste. „Also, Willi ist
schließlich auch mein Freund. Wenn du lieber mir eine reinhauen willst, damit
wieder Friede herrscht —

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