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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ich dir Beine!“
    Er hatte ein Gesicht wie Hackfleisch:
rot und roh. Er hatte stoppelige Haare, einen niederträchtigen Ausdruck in den
Augen und Pickel am Hals. Meistens kaute er Kaugummi. Auch im Unterricht.
    „Ich glaube nicht, daß du Willi Beine
machst“, sagte Tarzan. „Erst muß du nämlich an mir vorbei, Paulsen.“

     
    Der Junge biß sich auf die Lippen. Ein
wütender Blick schoß aus seinen Augen. Dann senkte er den Kopf. Seine Hand
schob sich in die Hosentasche und umklammerte dort irgendwas — Schnappmesser,
Totschläger, Schlagring. Aber er wußte genau: das würde ihm nicht helfen. Nicht
gegen Tarzan, den bärenstarken Judokämpfer.
    „Es sieht so aus“, sagte Tarzan zu
Bärbel, „als würden dich die beiden behelligen. Brauchst du Hilfe? Mir wäre es
ein Vergnügen, die Herren ein bißchen durch den Straßenstaub zu schleifen.“
    „Gib bloß nicht so an!“ murrte Ehrlich.
Aber auf seinem Fuchsgesicht glänzte verdächtig viel Schweiß.
    „Nun, Bärbel?“ ermunterte Tarzan das
Mädchen.
    „Sie... also, handgreiflich sind sie
nicht geworden. Aber sie wollten wissen, was ich hier mache und warum. Und dann
haben sie mich ausgelacht.“
    „Hm!“
    Tarzan sah Paulsen an, dann Ehrlich.
    Fuß hinter Fuß hatten sich die beiden
zurückgezogen — immerhin schon zwei Schritt.
    „Macht ‘ne Fliege!“ sagte er. „Ihr seid
hier nicht gefragt.“
    „Wir sprechen uns noch!“ schnaubte
Paulsen.
    „Worauf du dich verlassen kannst!“
erwiderte Tarzan.
    Was er damit meinte, ahnten die beiden
Widerlinge freilich nicht — als sie jetzt, steifbeinig wie Westernhelden, den
Sandweg hinabstakten.
    „Ich glaube, ich hätte mich vergessen“,
Klößchen bekundete den Mut eines Löwen, „und ihnen mein Rad um die Ohren
gehauen.“
    Er zog eine Tafel halbaufgeweichter
Schokolade aus der Hosentasche, riß das Papier auf und bot Bärbel an.
    „Danke!“ Sie lachte befreit und nahm
ein großes Stück.
    Tarzan, der keine Süßigkeiten mochte,
verzichtete. Klößchen machte sich über den Rest her. Wenn er Bärbel ansah,
schielte er fast. Verlegenheit färbte ihm die Ohren rot.
    „Wieso haben sie dich ausgelacht?“
fragte Tarzan.
    „Weiß nicht. Vielleicht finden sie
Hilfsbereitschaft blöd.“
    Bärbel war schlank und etwas schlaksig.
Sie wirkte älter als 16. Daß ihre grünen Augen sogar in der Dunkelheit
leuchteten — wie die einer Katze, wurde behauptet. Das dunkle Haar reichte ihr
offen bis auf die Hüften. Aber meistens trug sie es zu einem einzigen Zopf
geflochten, der — wenn sie ruhig stand — genau zwischen den Schulterblättern
hing. Beim Gehen schlenkerte er.
    Bärbels Vater war ein reicher Fabrikant
— fast so reich wie Klößchens Vater, der als Schokoladenhersteller enorme
Umsätze machte. Bärbel — das einzige Kind — war also von Hause aus auf Rosen
gebettet. Doch das merkte niemand ihr an. Sie trug die gleichen gammeligen
Jeans, T-Shirts und Pullis wie ihre weniger bemittelten Klassenkameradinnen,
und was ihre Tretmühle betraf... also dieses Rostgestell mit schiefem Sattel
und verbeulten Blechen war eine glatte Katastrophe.
    „Hilfsbereitschaft?“ fragte Tarzan. „Wie
meinst du das?“

2. Gaby ohne Hosenboden
     
    Bärbel lächelte, stützte sich auf ihren
schiefen Fahrradsattel und warf den Zopf, der ihr über die Schulter hing, nach
hinten.
    „Es ist wegen der Dettl!“
    „Kenne ich nicht“, sagte Tarzan.
    „Aber“, sagte Klößchen großartig, „du
weißt doch, was eine Dattel ist! Die afrikanische Frucht, die man mit Marzipan
füllen kann und...“
    „Ich meine Fräulein Dettl“, unterbrach
Bärbel ihn. „Sie gibt zwar Biologie. Aber mit einer Frucht hat sie nichts zu
tun. Und mit Marzipan ist sie schon gar nicht gefüllt.“
    „Ach so“, sagte Klößchen. „Dann habe
ich mich verhört.“
    „Soll ja vorkommen.“ Tarzan grinste. „Und
was ist mit der hilfsbereiten Dettl?“
    „Hilfsbereit bin ich. Die Dettl ist
eigentlich eine bösartige Person. Jedenfalls habe ich sie dafür gehalten. Sie
hat mich mehrmals ungerecht beurteilt. Einmal war es so schlimm, daß ich zur Direktorin
ging. Die hat meine Klassenarbeit — in Bio — dann nochmals durchgesehen und um
eine volle Note besser zensiert. Seitdem stand ich mit der Dettl ganz auf
Kriegsfuß. In meiner Klasse wissen das alle. Es war sogar mal Gegenstand einer
Elternkonferenz.“
    „Aha!“ meinte Tarzan. Mehr ließ sich
dazu noch nicht sagen.
    Bärbel zupfte an ihrem T-Shirt. „Jetzt
ist die Dettl

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