Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
hungrig.« Im Gegenteil, ihre Bäuche spannten sich prall, so unmäßig hatten sie das Futter verschlungen. »Du gehst jetzt zu Silvina. Silvina braucht dich, Camo!« Sie folgte dem Beispiel der Wirtschafterin, nahm ihn an den Schultern, drehte ihn zur Küche hin und gab ihm einen sanften Schubs.
Menolly trank den Becher mit heißem Klah und dachte nach. Sie hatte den Eindruck, daß Silvina sie betont freundlich behandelte. Oder war das Unsinn? Silvina ging mit allen Leuten nett und rücksichtsvoll um; sie war die Geduld selbst, wenn sie etwa mit dem schwachsinnigen Camo redete.
Dennoch, Silvina befehligte das Gesinde in der Gildehalle und besaß damit zweifellos eine ähnliche Machtposition wie Manora im Benden-Weyr. Wenn Silvina sie mit offenen Armen aufnahm, würden die anderen ihrem Beispiel folgen.
Menolly begann sich in der warmen Sonne zu entspannen. Ihre Träume letzte Nacht waren bedrohlich gewesen, aber in der Morgenhelle konnte sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Nur ein Gefühl des Unbehagens und der Hilflosigkeit war geblieben. Aber Silvina hatte viel dazu beigetragen, ihre dummen Zweifel zu zerstreuen.
Über den Hof klangen frische junge Stimmen, die noch einmal die lange Saga einübten. Die Feuerechsen stoben bei dem Gesang hoch und nahmen erst wieder Platz, als Menolly sie lachend beruhigte.
Dann erhob sich unvermittelt ein heller, glockenklarer Diskant über die dunkleren Stimmen der Harfner-Lehrlinge. Prinzessin sang die Gegenmelodie. Rocky und Taucher stimmten ein, die Schwingen halb gespreizt, damit sie ihre Lungen besser mit Luft füllen konnten. Spiegel und Brownie flatterten von ihrem Fenstersims herunter und sangen ebenfalls mit. Faulpelz mochte sich nicht anstrengen, und die beiden Tantchen sowie die blaue Echse Onkelchen waren allenfalls mäßige Sänger. Aber sie hielten die Köpfchen schräg und horchten zu; ihre glitzernden Augen kreisten. Die fünf Sänger saßen da, die Kehlen gebläht, die Augen halb geschlossen und völlig konzentriert auf ihren süßen Gesang.
Sie sind hier glücklich, dachte Menolly erleichtert und begann die Gegenstimme mitzusingen.
Sie waren bei den letzten beiden Takten des Chors angelangt, als Menolly plötzlich merkte, daß nur sie und die Echsen sangen, während die Stimmen der Lehrlinge verstummt waren. Verwirrt schaute sie auf und sah, daß an den Fenstern des Innenhofs ganze Trauben von Neugierigen hingen. Nur in dem Saal, aus dem der Gesang erschollen war, rührte sich nichts.
»He, wer hat da eben gesungen?« fragte ein quengeliger Tenor, und ein Männerkopf erschien an einem der leeren Saalfenster.
»Also, das war ein herrlicher Weckruf, Brudegan!« entgegnete der schöne Bariton des Meisterharfners von irgendwo hoch droben. Menolly hob den Kopf und erkannte Robinton im obersten Stockwerk zu ihrer Linken.
»Ich wünsche einen guten Morgen, Meisterharfner«, sagte Brudegan höflich, doch sein Ton verriet, daß ihn Robintons Eingreifen verärgert hatte.
Menolly versuchte sich ganz klein zu machen; am liebsten wäre sie im Dazwischen verschwunden.
»Ich wußte gar nicht, daß deine Feuerechsen singen können!« Silvina war neben Menolly aufgetaucht und räumte geistesabwesend Becher und Schale von den Stufen. »Eine schöne Ergänzung für deinen Chor, Brudegan, was?« fügte sie lauter hinzu. Dann hob sie den Kopf. »Nun, Robinton – ein Becher Klah gefällig?«
»Gern, Silvina.« Er beugte sich weit aus dem Fenster, um einen Blick auf Menolly werfen zu können. »Ein Schwarm singender Feuerechsen! Etwas Schöneres kann man sich zum Aufstehen gar nicht wünschen. Guten Morgen, Menolly!« Ehe das Mädchen antworten konnte, verzog er plötzlich das Gesicht zu einer Grimasse. »Mein Feuerechsen-Ei! Mein Ei!« Und er verschwand vom Fenster.
Silvina lachte leise und nickte Menolly zu. »Der ist zu nichts mehr zu gebrauchen, bis er selbst eine kleine Echse besitzt.«
In diesem Moment begannen Brudegans Sänger von neuem ihr Lied. Prinzessin zirpte fragend.
»Schsch, Prinzessin! Jetzt ist Schluß mit dem Gesang.«
»Die dort brauchen die Übung!« Silvina deutete zum Saal hinauf. »Aber nun muß ich das Frühstück des Harfners richten und dir ein Quartier verschaffen …« Sie unterbrach sich und betrachtete die Feuerechsen. »Was fangen wir nur mit denen an?«
»Wenn sie so satt sind wie jetzt, schlafen sie meist.«
»Gut, gut – aber wo? Ach, du liebe Güte …«
Menolly bemühte sich, ernst zu bleiben, als sie Silvinas
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