0723 - Der Teufels-Autor
Sie waren hinter ihm her, sie waren ihm auf den Fersen, sie würden keine Ruhe geben, und das wusste er.
Noch existierten sie nicht real, waren sie nur Geschöpfe seiner Fantasie, aber Damion Dark hatte den Bogen überspannt. Er hatte mit des Geschickes Mächten gespielt, nun verlangten sie ihren Tribut. Er war erfolgreich geworden, durch sie war er nach oben geschossen. Nun wollten sie kassieren.
Er fuhr weiter, und er fuhr schneller, weil er so das Gefühl hatte, ihnen entkommen zu können.
Dass er sich damit selbst täuschte, das nahm er auch in Kauf. Ebenso wie diesen nebligen Herbsttag, der das Land in eine Waschküche verwandelt hatte, sodass der Feldweg kaum noch zu erkennen war.
England im Herbst, England im Nebel. Das bedeutete nicht allein die klamme Kälte oder die Beeinträchtigung des Verkehrs, in dieser Zeit wurden auch die alten Geschichten wieder hervorgeholt, die von Nebelgeistern berichteten, von spukhaften Wesen und gefährlichen Gespenstern. Sie alle konnten das Leben eines Menschen zur Hölle machen.
Die Welt um ihn herum schien nur aus diesen Wesen zu bestehen. Von allen Seiten waren sie erschienen, hatten sich zusammengefunden, umklammerten einander, bildeten eine nie abreißende Wand aus Dunst und wallenden Tüchern, griffen überall hin, kamen ihm entgegen, wischten von ihm fort, drängten sich zusammen und hatten sich wie dünne Leichentücher über die Natur gelegt.
Er rollte über eine typische Landstraße. Der feucht glänzende Jaguar glich in seiner schwarzen Farbe eher einem Panter, der irgendwann zum Sprung ansetzen würde, um den grauen Nebelschwaden zu entkommen.
Noch konnte sich Damion Dark anhand der Bäume orientieren. Auch wenn sie aussahen wie in die Höhe wachsende Schatten, so wusste er, wo sie den Weg begrenzten.
Es waren die schlanken Pappeln, die als Säulen an den Rändern der Straße standen, Skelette irgendwelcher Monster, die der verfluchte Nebel angefressen hatte.
Im Wagen war es warm, die Heizung lief. Dennoch zeigte die Frontscheibe permanent einen Dunstbeschlag, der auch nicht verschwand, wenn er die Wischer anstellte.
Das war kein Tag, um über Land zu fahren. Aber Dark musste nach Hause, es drängte, denn sein fünfzigstes Buch - sicherlich wieder ein Bestseller - hatte am nächsten Tag Premiere.
Die sollte bei ihm zu Hause gefeiert werden. Mit einem rauschenden Fest, mit zahlreichen Gästen, mit vielen Reden, mit Lobhudeleien, mit Essen und Trinken.
Wieder würde er im Mittelpunkt stehen. Wieder würde man seine Horror-Romane loben, aber nur weil sie so gut verkauft wurden. An ihm persönlich rann so etwas ab, aber er hatte einmal zugestimmt und würde auch durchhalten müssen.
Wenn der Nebel blieb, würden vielleicht nicht alle kommen. Laut Wetterbericht jedenfalls sollte er nicht dichter werden, das war immerhin etwas.
Er fuhr und fuhr.
Der Weg schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer neue Schwaden wallten heran. Lautlos drängten sie sich gegen seinen Wagen, benetzten ihn, fuhren an den Scheiben entlang, und nicht einmal die Musik konnte Dark von seinen trüben Gedanken abbringen.
Der Nebel lebte.
In ihm steckte etwas, das ihn schon seit einiger Zeit verfolgte. Geister, Dämonen, gespenstische Wesen, die nur darauf lauerten, zuschlagen zu können.
Sein Kopf fühlte sich an wie ein Karussell. Unzählige Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, vereinigten sich zu einem Wirrwarr, aus dem er kein Entkommen wusste.
Dann kam die alte Brücke. Sie war aus Stein und Holz gebaut. Die hölzernen Geländer huschten an ihm vorbei. Unter den Reifen knirschten die kleinen Steine. Die Brücke war eng. Zwei Fahrzeuge konnten sich auf ihr nicht begegnen.
Bei diesem Wetter allerdings war er der Einzige auf der Straße, und er ließ die Brücke auch sicher hinter sich.
Nicht weit entfernt lag die Kreuzung, auch der alte Kreuzweg genannt. Ein Ort, über den man sich zahlreiche Legenden erzählte. Er hatte sie in seinen Büchern ebenfalls aufgegriffen und über die Gehängten berichtet, die dort an den starken Ästen hingen und im Wind schaukelten. Fremde und Verbrecher waren früher dort aufgehängt worden. In düsteren Nächten irrten ihre Geister angeblich noch immer dort umher, das wusste er alles.
Jetzt lag der Nebel über dem Kreuzweg. Er klammerte sich an den Bäumen fest, er war wie ein zäher Teig, den erst ein heftiger Wind hätte vertreiben können.
Der Wagen rollte auf die Kreuzung zu. Obwohl es nichts brachte, hatte sich sein Fahrer vorgebeugt und
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