Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
gestand Menolly. Ihre Herausforderung an Pona hätte alles verderben können.
»He, das darfst du nicht sagen!« rief Piemur entrüstet. »Deine Rechte war einsame Spitze …« – er ahmte den Schlag nach –, »und nach allem, was Pona dir angetan hatte, war es nur recht und billig, eine Entschuldigung von ihr zu fordern …«
Piemur schluckte, als er Sebells Interesse bemerkte, und sprach den Satz nicht zu Ende.
»Du hast eine Entschuldigung von Pona gefordert?« fragte der Harfnergeselle überrascht. »Du wußtest doch, daß Silvina diese Angelegenheit in Ordnung bringen wollte!«
»Sie nannte mich eine Diebin und hetzte Benis auf, mir die Zweiermarke wegzunehmen.«
»Die Zweiermarke, die ihr Meister Robinton für einen neuen Gürtel geschenkt hatte!« empörte sich Piemur.
»In diesem Fall mußtest du dich wehren«, sagte Sebell bedächtig. Er schaute Menolly lächelnd an. »Es ist sogar gut, zu wissen, daß du dich zu wehren verstehst. Nur – der Einsatz der Feuerechsen …«
»Ich habe sie nicht gerufen, Sebell, ehrlich nicht! Aber als Benis Piemur zu Boden stieß und mit den Füßen trat, bekam ich Angst. Der Kleine lag wie tot da.«
»Das Beste, was man machen kann, wenn der Gegner überlegen ist«, grinste Piemur.
»Dennoch kann ich es nicht billigen, daß Harfnerlehrlinge raufen – und schon gar nicht mit den Angehörigen eines Burgherrn …«
»Benis ist der schlimmste Radaubruder von Fort, Sebell, und Sie wissen genau, daß er ständig Stunk macht.«
»Jetzt reicht es aber, junger Mann«, erklärte Sebell mit einer Schärfe, die Menolly gar nicht an ihm kannte. »Allerdings hatte ich mit Disziplin nicht das gemeint, Menolly. Ich meinte die Fähigkeit, ein Projekt, eine Aufgabe zu Ende zu führen – so wie das Lied, das du gestern geschrieben hast… War es wirklich erst gestern?«
Und er streichelte Kimi, die zusammengerollt in seiner Armbeuge schlief.
»Du hast ein neues Lied geschrieben?« Piemur strahlte. »Das weiß ich noch gar nicht. Wann kriegen wir es zu hören?«
»Wann ihr …« Menollys Stimme versagte.
»Was ist denn los, Mädchen?« Sebell nahm sie am Arm und schaute sie besorgt an.
»Es ist nur – alles so anders …«, stammelte sie, unfähig, den Aufruhr in ihrem Innern zu bekämpfen. »Wißt ihr … wißt ihr, was früher geschah, wenn ich ein Lied schrieb?« Sie versuchte die Worte zurückzuhalten, die aus ihr hervorbrachen, aber sie schaffte es nicht. Piemurs spitzes kleines Gesicht verriet tiefes Mitgefühl, und Sebell ermutigte sie weiterzusprechen.
»Mein Vater verprügelte mich, wenn ich herumspielte, wie er es nannte.
Und als ich mich beim Ausnehmen von Stachelschwänzen in die Hand schnitt …« – sie öffnete die Faust, damit die beiden die häßliche rote Narbe sehen konnten –, »da ließen sie die Wunde mit Absicht falsch zusammenwachsen, damit ich nie wieder ein Instrument greifen könnte. Sie verboten mir, abends im Großen Saal mitzusingen, weil sie Angst hatten, Harfner Elgion könnte herausbringen, wer die Kinder in der Burg nach dem Tode des alten Petiron unterrichtet hatte.
Sie schämten sich für mich! Sie befürchteten, ich könnte die Burg in Verruf bringen. Deshalb bin ich weggelaufen. Ich wollte lieber in einem Sporenregen sterben, als noch eine Nacht in der Halbkreis-Bucht leben …«
Bittere Tränen über das Unrecht, das man ihr angetan hatte, liefen Menolly die Wangen entlang. Sie merkte, wie Piemur sie bat, nicht mehr zu weinen, weil doch jetzt alles gut sei, und sie spürte Sebells starken Arm um ihre Schultern. Aber erst Prinzessins erregtes Zirpen ermahnte sie, ihre Gefühle zu beherrschen. Meister Robinton und Baron Groghe freuten sich bestimmt nicht über einen zweiten Echsen-Aufruhr an diesem Nachmittag.
Sie wischte sich heftig die Wangen trocken und warf dann einen trotzigen Blick auf die verwirrten Gesichter von Piemur und Sebell.
»Und ich wollte, daß du mir zeigst, wie man Fische ausnimmt!« Sebell schüttelte seufzend den Kopf. »Ich wunderte mich schon über dein Zögern. Aber keine Sorge, ich frage jemand anderen, nun, da ich weiß, weshalb du diese Arbeit so haßt.«
»Nein, ich will dir diese Dinge beibringen, Sebell – das Ausnehmen von Fischen genauso wie das Segeln! Ich bin vielleicht nur ein Mädchen, aber ich möchte zu den besten Harfnern der ganzen Gilde gehören …«
»Langsam, Menolly«, lachte Sebell. »Ich glaube dir ja.«
»Ich auch«, sagte Piemur. Die Stimme des Jungen klang sehr nachdenklich.
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