Die Drachenreiter von Pern 16 - Der Himmel ueber Pern
Anblick erhellte. Lord Groghe übertrug ihm immer mehr verantwortungsvolle Aufgaben, und Haligon bezeichnete sich selbst scherzhaft als ›Kurier des Burgherrn‹. Doch er blieb stets gut gelaunt und hilfsbereit. Jedenfalls behauptete das Torlo.
»Hast du Lust auf einen Spaziergang, Tenna?«, fragte Haligon, nachdem er Torlo und dessen Gemahlin freundlich zugenickt und die anderen Anwesenden in den Gruß miteinbezogen hatte.
Die üblichen Neckereien wie ›Nach dem Kurierdienst wird ihr ein Spaziergang gut tun‹ und ›Lauft nur nicht zu weit weg‹, begleiteten sie nach draußen. Doch diese anzüglichen Frotzeleien waren besser als ein missbilligendes Schweigen.
Die Hauptstraße wurde von den neuen elektrischen Lampen erhellt, die wie Leuchtkörbe geformt waren und an hohen Masten hingen, deshalb waren trotz der nächtlichen Kühle viele Fußgänger unterwegs. Haligon und Tenna schlugen indessen einen dunkleren Seitenpfad ein, der zu den Viehställen und einer Scheune führte. In diesem verschatteten Winkel konnten sie sich umarmen, ohne beobachtet zu werden, und sie tauschten ungehemmt Zärtlichkeiten aus. Sie war eine Siebenspanne lang fort gewesen und hatte Haligon sehr vermisst. Und falls die Leidenschaft, mit der er sie liebkoste, ein Maßstab war, so hatte sie ihm gleichfalls gefehlt.
Bis jetzt hatten sie noch nie über ihre Beziehung gesprochen. Sie fand, sie sei nicht gut genug für den Sohn eines Burgherrn, der einem der ältesten und angesehensten Geschlechter Perns entstammte. Und er ahnte zumindest, was sie dachte.
Haligon hingegen befürchtete, Tenna würde in einer Ehe die Freiheit vermissen, die ihr Beruf ihr verschaffte, und er wollte sie nicht einschränken. Doch da er lediglich ein jüngerer Sohn war, spielte es keine so große Rolle, wen er heiratete. Durch die Schäden, die der Feuerball - den Haligon einen Kometen nannte - und die Überflutungen angerichtet hatten, waren Lord Groghe und seine Söhne sehr beschäftigt gewesen. Groghe hatte Haligon nach Süd-Boll geschickt, um dort zu helfen, und insgeheim fragte sich Tenna, ob der alte Lord vielleicht hoffte, Haligon würde sich in Lady Janissian verlieben. Sie wäre die passende Frau für ihn, dachte sich Tenna. Aber Haligons Bemerkungen über Janissian beschränkten sich darauf, dass sie sehr nett und eine tüchtige Burgherrin sei.
Beide waren sich darüber im Klaren - obwohl niemand in Fort es laut aussprach - das Lord Groghes Kräfte nachließen. Kein Wunder, denn er war immerhin neunundachtzig. Der Vandalismus am Ende des Planetenumlaufs hatte den alten Mann zutiefst erschüttert, und er hatte sich geschworen, die Leute, die dahinter steckten, zu enttarnen und zu bestrafen. In seinem Machtbereich sollten derlei Akte sinnloser Zerstörungswut nie wieder passieren.
Torlo und viele andere Stationsmeister unterstützten ihn bei seinem Kampf gegen die Reaktionäre, aber längst nicht alle Kuriere ergriffen für ihn Partei. Es herrschte die verdeckte Furcht, die tragbaren Fernsprechgeräte, die laut Anweisungen des Akki konstruiert wurden, könnten sie ihre Existenz kosten. Doch die meisten Eilläufer schlossen sich der generellen Politik der Stationsmeister an, die darauf abzielte, jede Form von Vandalismus - vor allen Dingen, wenn sich die Attacken gegen die Heilerhallen richteten - zu ächten. Die vernünftigste Einstellung hatte Tenna, und sie wurde nicht müde, Lady Lessas Worte zu wiederholen, die gesagt hatte, Kuriere hätten Pern seit jeher gedient, und für sie gäbe es immer eine Zukunft.
Doch wenn sie in Haligons Armen lag, vergaß sie alles - Pflichtbewusstsein, Verantwortung - und gab sich ganz den Wonnen der Liebe hin. Für Tenna gab es keine halben Sachen, und auch Haligon schmuste mit ungeteilter Begeisterung.
Aber nach einer Weile meldete sich bei ihr das instinktive Zeitgefühl, das die meisten Kuriere besaßen, und widerstrebend löste sie sich aus der Umarmung. Züchtig strich sie sich die verrutschten Kleidungsstücke glatt und lächelte, als sie Haligons enttäuschten Seufzer vernahm.
Haligon kämmte sich mit den Fingern das Haar, das er sich längst hätte schneiden lassen müssen, schlug den Jackenkragen hoch und musste sich anstrengen, um mit Tenna Schritt zu halten. Das Mädchen konnte marschieren!
Torlo, als schemenhafte Gestalt erkenntlich, saß bereits am vereinbarten Treffpunkt auf einer Bank. Hier trafen sich Haligon und Tenna oft, weil sie in diesem lauschigen Winkel vor neugierigen Blicken geschützt
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