Pulphead
Auf diesen Rock will ich meine Kirche bauen
Man soll ja nicht prahlen, aber mein ursprünglicher Plan war perfekt. Ich hatte den Auftrag erhalten, über das Cross-Over-Festival am Lake of the Ozarks, Missouri, zu schreiben. Drei Tage auf einem abgeschiedenen Gelände im Mittleren Westen, zusammen mit dem Nonplusultra christlicher Bands und ihren Fans. Ich stellte mir vor, wie ich am Rand der Menge stehen und mir Notizen machen, gelegentlich jemanden aus dem Publikum anquatschen (»Was ist schwerer, Homeschooling oder normale Schule?«) und dann meine Akkreditierung zücken würde, um backstage noch mit den Musikern zu plaudern. Der ein oder andere Sänger würde mir erklären, dass jede Musik, wenn sie mit entsprechender Hingabe gespielt wird, allein Seinem Lobpreis diene, und ich würde jedes zehnte Wort mitschreiben und inwendig grinsen. Später am Abend würde ich in meinem Mietwagen ein bisschen Alk einschmuggeln und mich ungefragt zu einer Gebetsrunde am Lagerfeuer einladen, schon der Geselligkeit wegen. Heimflug, ein bisschen Statistik reinrühren, Rechnung stellen.
Aber wie lautet mein Frühstücksmantra? Ich bin ein Profi. Und nur fürs Mitwippen kriegt man keine Preise. Ich wollte wissen, was das für Menschen sind, die von sich behaupten, diese Musik zu lieben, und die Hunderte von Meilen fahren und dabei ganze Bundesstaaten durchqueren, um sie live zu hören. Und da war sie, meine Offenbarung: Ich würde mit ihnen fahren. Beziehungsweise: Sie mit mir. Ich würde einen Kleinbus mieten, und zwar einen ultraschicken, und wir würden gemeinsam losfahren, ich und drei oder vier Hardcore-
Fans, den ganzen Weg von der Ostküste zu diesem See mit dem unglaubwürdigen Namen, diesem Lake of the Ozarks. Wir würden uns die ganze Nacht unterhalten, sie würden versuchen, mich zu bekehren, und ich würde die ganze Zeit mein kleines Aufnahmegerät laufen lassen. Irgendwann, das wusste ich, würden wir uns mögen und gegenseitig bemitleiden. Was für eine Geschichte – Stoff für kommende Generationen!
Die einzige Frage war: Wo sollte ich Willige finden? Aber eine wirkliche Frage war auch das nicht, denn jedes Kind weiß, dass sich Leute mit einem Hau und Spezialinteressen allnächtlich in »Chatrooms« versammeln. Und unter Jesus-Jüngern herrscht kein Mangel an jenen, bei denen mehr als nur ein Schräubchen locker ist. Offenbar wollte Er es so.
Ich veröffentlichte also meine Einladung anonym auf www.youthontherock.com und in zwei Internet-Fanforen der christlichen Pop-Punk-Band Relient K, die beim Cross-Over-Festival bereits gebucht war. Ich stellte mir Jungs und Mädchen vor, die in ihrem Dachzimmer davon träumen, die Männer von Relient K mit eigenen Augen den Song »Gibberish« vom Album Two Lefts Don't Make a Right . . . But Three Do live spielen zu sehen. Aber wie hinkommen? Die Benzinpreise würden nicht sinken, und in Florida treten Relient K nie auf. Bitte, Gott, mach, dass es geschieht. Und plötzlich erscheint mein Forumseintrag, wie ein helles Licht. Wir konnten uns gegenseitig eine Hilfe sein. »Ich suche echte Fans von christlicher Rockmusik, die mit mir zum Festival fahren«, schrieb ich. »Ob Frau oder Mann ist egal, aber du solltest nicht älter als, sagen wir, achtundzwanzig sein, denn ich beschäftige mich mit dem Thema vor allem als Jugendphänomen.«
Klingt erst mal harmlos. Wie sich allerdings herausstellte, hatte ich keine Vorstellung davon, wie jugendlich das Phänomen tatsächlich ist. Die meisten in diesen Chatrooms sind Teenager, und zwar keine neunzehnjährigen, sondern vierzehnjährige. Da war ich also einfach mal ins World Wide Web gezottelt
und hatte eine Horde zwölfjähriger Christinnen und Christen gefragt, ob sie eine Ausfahrt in meinem Van machen wollten.
Es dauerte nicht lang, bis die Kinder zurückschlugen. »Super gemacht, deine Mailadresse zu unterdrücken«, schrieb »Mathgeek29« in einem Ton, der mir so gar nicht christenmäßig vorkam. »Ich bezweifle, dass irgendjemand seine kompletten Kontaktdaten einem total Fremden im Internet gibt . . . Habt ihr denn in Manhattan keine christlichen Jugendlichen, die da mitmachen wollen?«
Einige wenige Jugendliche schenkten mir aber tatsächlich auch Glauben. »Riathamus« schrieb: »ich bin 14 und wohne in indiana, außerdem würden meine eltern mich wahrscheinlich nicht lassen, so mit einem fremden aus dem internet, aber super wärs.« Ein Mädchen mit dem Nutzernamen »LilLoser« versuchte sogar, nett zu
Weitere Kostenlose Bücher