Die drei Ausrufezeichen 45 - Tatort Geisterhaus
kleiner Junge. Er war totenbleich und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Tränen strömten über seine Wangen und er sah so traurig aus, dass es Kim beinahe das Herz zerriss. Sie ging einen Schritt näher heran und flüsterte: »Viktor?«
E rste Hilfe
Der Junge antwortete nicht. Er starrte Kim nur aus großen, ängstlichen Augen an, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Kim machte noch einen Schritt auf ihn zu. Sie streckte die Hand aus. Der Junge blickte wie hypnotisiert auf ihre zitternden Finger. Millimeter für Millimeter näherten sie sich dem Arm des Jungen. Kim wagte kaum zu atmen. Was, wenn sich die Gestalt gleich in Luft auflösen würde? Wenn der Junge bei der geringsten Berührung einfach verschwand? Sie war auf alles gefasst – und schrie überrascht auf, als ihre Finger auf den groben Wollstoff einer Strickjacke trafen. Die Jacke war echt. Genauso wie der Junge.
»Du … du bist gar kein Geist?«, fragte Marie enttäuscht.
Der Junge blieb stumm. Konnte er nicht sprechen? Da ertönte eine Stimme aus dem Schatten hinter der Tür und ließ die Detektivinnen zusammenzucken.
»Bitte! Ihr müsst uns helfen!«
Die drei !!! fuhren herum. Ein Mädchen trat hinter der Tür hervor. Kim schätzte, dass es etwas jünger war als sie selbst. Seine braunen Haare waren ungekämmt und es hatte denselben ängstlichen Blick wie der Junge.
»Wer bist du?«, fragte Marie verdutzt.
»Ich heiße Lili«, begann das Mädchen, dann versagte seine Stimme und es begann zu weinen.
»Was ist passiert, Lili?«, erkundigte sich Franzi in demselben sanften Tonfall, mit dem sie sonst verschreckte Tiere beruhigte.
»Mein Bruder … Torben … er hat sich verletzt.« Die Tränen rollten immer schneller über Lilis Gesicht. »Er hat im dunklen Wohnzimmer aus Versehen eine Vase umgestoßen und sich an den Scherben geschnitten. Er hat so schrecklich geweint … ich wusste nicht, was ich tun sollte … überall war Blut …« Sie wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt.
Kim ging zu Lili hinüber und nahm sie in die Arme. Sie zitterte am ganzen Körper. »Ganz ruhig, Lili. Du bist nicht mehr allein. Wir werden euch helfen.«
»Wirklich?« Lili hob ihr tränenüberströmtes Gesicht und sah Kim an.
Kim nickte. »Ich verspreche es dir.«
Franzi hatte sich neben das Bett gekniet, um den Jungen zu untersuchen. »Hallo, ich bin Franzi.« Sie lächelte Torben beruhigend zu. »Ich würde mir gerne mal deine Verletzung ansehen. Wo hast du dir denn wehgetan?«
Doch Torben sah Franzi nur stumm an, ohne zu reagieren.
»Vielleicht steht er unter Schock«, vermutete Marie.
Lili löste sich aus Kims Umarmung. »Die Mädchen wollen uns helfen, du kannst ihnen vertrauen. Zeig ihnen bitte deine Hand.«
Torbens Blick flackerte unsicher. Dann presste er die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
Aber Franzi ließ sich nicht beirren. »Weißt du was, Torben? Ich wohne auf einem Bauernhof, zusammen mit meiner Familie und mehreren Tieren. Magst du Tiere?« Torben nickte und Franzi fuhr lächelnd fort: »Das dachte ich mir. Ich habe ein Pony und ein Huhn.«
»Ponys sind doof«, verkündete Torben. Es waren seine erstenWorte, seit die Mädchen den Raum betreten hatten. Immerhin ein Anfang.
»Was sind denn deine Lieblingstiere?«, erkundigte sich Franzi.
»Würfelquallen«, antwortete Torben wie aus der Pistole geschossen.
»Aha.« Franzi kratzte sich am Kopf. »Nie gehört.«
»Würfelquallen leben in tropischen und subtropischen Meeren und gehören zu den giftigsten Tieren der Welt«, erklärte Torben ernst. »Ihre Opfer ertrinken meist, noch bevor sie das Ufer erreicht haben.«
Franzi grinste schief. »Klingt ja nicht besonders spaßig.«
»Torben interessiert sich sehr für giftige Tiere«, sagte Lili entschuldigend. »Zu seinem siebten Geburtstag hat er sich eine Kreuzotter gewünscht.«
»Und?«, fragte Franzi. »Hast du sie bekommen?«
Torben schüttelte den Kopf. »Mama und Papa waren dagegen.
Marie lachte. »Kann ich mir vorstellen.«
Das kurze Gespräch hatte genau den gewünschten Effekt gehabt. Torben sah nicht mehr ganz so ängstlich aus. Er schien allmählich Vertrauen zu den drei !!! zu fassen.
»Zeigst du mir jetzt deine Hand?«, fragte Franzi. »Ich bin auch ganz vorsichtig, versprochen!«
Torben zögerte kurz. Dann streckte er den Arm aus. Um seine rechte Hand war als provisorischer Verband eins von Oma Lottis Küchenhandtüchern gebunden. Es war voller Blut. Kim wandte schnell den Blick ab, bevor ihr wieder flau
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