Zweite Chance fuer die Liebe
1. KAPITEL
„Soll das ein schlechter Witz sein, Jordana?“ Tristan Garrett stand in seiner Kanzlei im zehnten Stock und wandte sich vom Blick über die Themse zu seiner jüngeren Schwester um. Sie saß mit übergeschlagenen Beinen vor seinem Schreibtisch, elegant und makellos zurechtgemacht, und sah keineswegs wie die hysterische Verrückte aus, nach der sie klang.
„Als ob ich über etwas so Ernstes Witze reißen würde!“ Jordanas jadegrüne Augen – dieselbe Farbe wie seine – waren weit aufgerissen und voller Sorge. „Ich weiß, es scheint undenkbar, aber es stimmt. Wir müssen ihr helfen!“
Nun, undenkbar schien es ihm keineswegs, nur wusste Tristan auch, dass seine Schwester den Hang hatte, Gutes in anderen zu sehen, wo absolut nichts Gutes zu finden war. Er drehte sich wieder zum Fenster zurück und blickte auf die Fußgänger hinunter, die die milde Septembersonne im Moment sicherlich mehr genossen als er. Er sah seine kleine Schwester nur ungern so aufgewühlt und verfluchte die sogenannte Freundin, die für ihre Tränen verantwortlich war.
Jordana kam zu ihm ans Fenster, und er legte den Arm um ihre Schultern. Was sollte er ihr sagen, um sie zu beruhigen? Dass die Freundin, der sie so unbedingt helfen wollte, es nicht wert war? Dass jeder, der dumm genug war zu versuchen, aus Thailand Drogen einzuschmuggeln, es verdient hatte, hinter Gittern zu landen?
Normalweise würde er seiner Schwester ohne zu zögern helfen, doch in diesem Fall würde er den Teufel tun, sich in dieses Fiasko hineinziehen zu lassen. Und er würde dafür sorgen, dass auch Jordana nicht hineingezogen wurde. „Jo, das ist nicht dein Problem. Du wirst dich da nicht einmischen.“
„Ich …“
Er hob die Hand, duldete keine Widerrede. „Wenn diese Geschichte stimmt, kann ich dazu nur sagen, dass sie sich das selbst eingebrockt hat. Darf ich dich daran erinnern, dass es bis zur Hochzeit des Jahres nur noch acht Tage sind? Oliver wird nicht gutheißen, dass du dich da hineinziehen lässt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der griechische Prinz gern eine Drogenkonsumentin als Tischnachbarin hätte, ganz gleich, wie schön sie sein mag.“
Jordana presste die Lippen zusammen. „Oliver wird wollen, dass ich das Richtige tue. Und was meine Hochzeitsgäste denken, ist mir gleich. Ich werde Lily helfen.“
Tristan schüttelte den Kopf. „Warum willst du das riskieren?“
„Sie ist meine beste Freundin.“
Das überraschte ihn. Er hatte gedacht, die Freundschaft sei schon vor Jahren eingeschlafen. Allerdings … wieso war Lily dann Jordanas Brautjungfer? Die Frage hätte er wohl schon vor zwei Wochen stellen sollen, als er gehört hatte, dass Lily zur Hochzeit eingeladen war. Doch vorerst gab es wichtigere Dinge zu klären. „Wann hast du mit ihr gesprochen?“
„Habe ich nicht. Der Zoll rief an. Sie hatte einen Beamten gebeten, mich zu benachrichtigen, dass sie es nicht schaffen wird und … Oh Tristan, wenn wir ihr nicht helfen, sperrt man sie ins Gefängnis.“
Tristan strich sich eine Locke aus der Stirn. Es wurde Zeit, deutlicher mit seiner kleinen Schwester zu werden. „Für sie ist es wahrscheinlich das Beste. Dort wird man ihr helfen.“
„Das meinst du nicht ernst!“
Nicht? Ehrlich gesagt, er war sich nicht sicher. Was er allerdings wusste, war, dass der Morgen gut begonnen hatte, bevor Jordana in seine Kanzlei geplatzt war und Erinnerungen an ein Mädchen geweckt hatte, an das er lieber nicht dachte.
Honey Blossom Lily Wild, soeben erst zur „Sexiest Woman Alive“ gewählt und berühmte Schauspielerin. Filme interessierten ihn nicht besonders, aber er hatte ihren ersten gesehen – irgendein wirres Endzeitspektakel eines frühreifen Regisseurs. An den Inhalt konnte er sich nicht genau erinnern, aber welcher Mann würde das schon können, wenn Lily praktisch in jeder Szene in knappem T-Shirt und noch knapperen Shorts zu sehen war? Der Film lieferte den Beweis, dass die Kultur sich auf dem Rückzug befand, und Leute wie Lily Wild trugen zu fünfzig Prozent die Verantwortung dafür.
Er und sein Vater hatten die Freundschaft zwischen den Teenagerinnen toleriert, weil Jordana glücklich war. Doch Tristan hatte Lily schon als schlaksige Vierzehnjährige nicht gemocht. Schon damals hatte sie einen Hochmut an den Tag gelegt, der mehr als unangebracht für ihr Alter gewesen war, und sie hatte ihre Drogen unter Jordanas Matratze versteckt. Hätte er damals etwas zu sagen gehabt, hätte seine Schwester
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