Die drei Frauen von Westport
ich der Armee der Konföderierten beigetreten.«
»Und ich mache mir Sorgen«, fuhr Annie fort. »Ich meine, ist das wieder eine deiner Anwandlungen? Denn es geht ja auch um den kleinen Jungen, Miranda.«
Ein träumerischer Ausdruck trat auf das Gesicht ihrer Schwester. »Henry«, sagte sie.
»Du verhältst dich doch nicht etwa so, um an Henry zu kommen, oder? Das fände ich ganz furchtbar.«
»Weißt du was?«, erwiderte Miranda und küsste ihre Schwester. »Ausnahmsweise musst du dir mal keine Sorgen um mich machen, Annie. Wirklich und wahrhaftig nicht.«
Annie fragte sich, ob das jemals der Fall sein würde. Sie sagte: »Ich freue mich, wenn du glücklich bist, Miranda.
Mom wusste es, glaube ich«, fügte sie dann noch hinzu.
»Was?«
»Das mit Leanne.«
»Kann sein.« Miranda schürzte die Lippen und trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch, während ihrTränen über dieWangen rannen. »Kann sein. Sie wusste vieles.«
Miranda und Leanne hatten beschlossen, mit Henry in das kleine Cottage zu ziehen. »Und weißt du was?«
»Was?« Annie war der Überraschungen überdrüssig.Was konnte wirklich eine Überraschung sein außer demTod, jener unvermeidlichen Überraschung?
»Leanne und ich werden heiraten.«
»Ach, Miranda, um Himmels willen.«
Miranda lächelte. Unschuldig. Naiv. Entnervend.
»Ich dachte, du hältst nichts von der Ehe«, sagte Annie. »Du hältst also nur was von gleichgeschlechtlichen Ehen?«
»Ich halte viel von dieser Ehe.«
Die schlichte Aufrichtigkeit ihrer Worte, das Kindlich Naive daran rührte Annie. Sie spürte fast, wie ihre Mutter sie in den R ücken stupste und flüsterte: Na los, sei nett zu ihr, du weißt doch, wie deine Schwester ist …
Miranda hielt eine ungeöffnete Packung Cracker hoch.
»Ihre Cracker«, sagte Annie.
Sie weinten ausgiebig und laut und wiegten sich dabei in den Armen wie alte Männer beim Gebet. Dann öffneten sie stumm und feierlich die Schachtel und verspeisten mit Mandelmus bestrichene Cracker.
Als Miranda erzählte, dass sie mit Leanne und Henry in das Cottage ziehen wollte, fragte sich Annie, was ausTante Charlotte werden sollte. Würde sie mitsamt ihren Sesseln versteigert werden?
DochTante Charlotte würde sich an einen angenehmeren Ort begeben, an dem Leanne sie sogar täglich besuchen konnte. Sie zog nämlich bei Cousin Lou ein.
»Das kannst du nicht machen«, hatte R osalyn gesagt, als Lou ihr seinVorhaben unterbreitete. »Du kennst diese Frau doch kaum. Unser Haus ist kein Altersheim, Lou.«
Doch Lou war nicht umzustimmen. Eine Frau unter seine Fittiche zu nehmen, die sich als sehr entfernte vierte Cousine von Mrs. James Houghteling erwiesen hatte, war eineVersuchung, der er nicht widerstehen konnte.
»Gehört zur Familie«, erklärte er befriedigt.
Mr. Shpuntov, gefolgt von seiner Pflegerin, schlurfte an ihnen vorbei zur Küche.
»Und sie ist eine Gefährtin für deinenVater«, fügte Lou hinzu.
»Lou, um alles in derWelt, was sollen die beiden denn zusammen machen? Handball spielen? Das geht jetzt wirklich zu weit. Viel zu weit. Wir haben ja nicht mal genug Zimmer.«
»Werden wir in Bälde haben«, erwiderte Lou. »Wenn wir nämlich in dieses bezaubernde alte Haus an der Beachside Avenue ziehen.«
»Das Maybank-Haus?«
»Genau. Das Maybank-Haus. Das ich soeben gekauft habe.«
Das Bestattungsinstitut war nicht weit von derWohnung am Central ParkWest entfernt. Joseph und Felicity wohnten noch dort. Der Umzug war erst für den nächsten Monat geplant, und Joseph hatte angeboten, dieTrauergäste nach der Beerdigung dorthin einzuladen.
»Ich glaube, das hätte Betty gefallen«, sagte er zu seinen Töchtern.
»Betty ist tot«, erwiderte Annie.
Sie empfing die Gäste stattdessen in ihrerWohnung. Der Professor aus Frankreich war eineWoche zuvor nach Paris zurückgekehrt.
»Aha!Wenn Annie wieder in ihrerWohnung ist und Miranda mit ihrer mittellosen lesbischen Geliebten inWestport bleibt, sollten wir den beiden vielleicht unsereWohnung abkaufen«, sagte Felicity, als sie die Neuigkeiten hörte und ihr prompt einfiel, wie das Haus auf Cape Cod anWert gewonnen hatte. »Ich meine, es bleibt ja in der Familie.«
»Nein, das sollten wir nicht«, erwiderte Joe.
Und so setzte Felicity ihre Suche nach einer zentral gelegenenWohnung mit Portier fort.
Betty war bei ihremTod noch jung genug gewesen, um eine großeTrauergemeinde zu haben, dachte sich Joseph, als er das Begräbnisinstitut betrat. Er sann darüber nach, ob das ihm
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