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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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silberne Brücke aus dem Garten der Geister. Sie stieg in weitem Bogen in die klare Luft hinauf und verlor sich schimmernd im Sonnenlicht, in einem Glanz, den die Augen nicht mehr ertragen konnten. So etwas Schönes glaubte Veronika noch nie gesehen zu haben, und doch war es ihr, als wäre sie hier zu Hause und wäre schon oft über die silberne Brücke gegangen. Aber wann war das gewesen – wann? Sie konnte sich nicht mehr darauf besinnen. Da, wo die Brücke begann, waren die Erde und die Steine klar wie aus Glas, und es blühten um sie durchlichtete Lilien und Rosen und tausend andere Blumen, die Veronika nicht alle kannte. Lautlos und ohne Schwere schwebten Gestalten von Menschen und Tieren über die Brücke, und auch sie waren durchdrungen von jenem Licht, das Blumen und Steine erhellte. Auf der Mitte der Brücke aber, gerade dort, wo sie sich im Glanz verlor, standen lauter weißgekleidete Engel mit silbernen Schwingen. Veronika war ganz still geworden und fühlte nichts als das Licht in sich, und ihr war es, als müsse sie vor allen anderen einen Engel besonders anschauen, vielleicht, weil er auch die Augen gerade auf sie gerichtet hatte.
    »Sieh dir die silberne Brücke an, kleine Veronika, du kamst von ihr und du gehst wieder zu ihr«, sagte der weißgekleidete Engel, »aber erst kommt die Dämmerung.«
    Da schien es der kleinen Veronika, als ob eine große Angst vor der Dämmerung sie ergriffe, obwohl sie nicht so recht wußte, was das eigentlich war.
    »Hab keine Furcht, kleine Veronika«, sagte der Engel, »die Dämmerung kommt, und der Glanz der silbernen Brücke wird erlöschen, und auch den Garten der Geister wirst du nicht mehr so sehen, wie du ihn heute sahst, zum letzten Mal. Es wird sehr dunkel, wenn die Dämmerung kommt. Aber ich werde mit dir gehen, und ich werde dir deine drei Lichter anzünden, kleine Veronika, und werde über dir wachen.«
    Ein großer, grauer Schleier fiel über die silberne Brücke und über alles, was auf ihr war, so daß Veronika nichts mehr davon sehen konnte. Es war eine tiefe Stille und Traurigkeit um sie. Nur von fern redete es mit leisen Stimmen.
    »Siehe, wie weiß unsere Blüten sind«, sagten die Liliengeister, »so rein und so weiß ist das himmlische Hemd, das du einmal wieder tragen wirst.«
    »Schau, wie rot unsere Kelche sind«, sagten die Rosenseelen, »so rein und so rot ist der Kelch des Grales, nach dem du einmal wieder die Arme ausstrecken wirst.«
    Der graue Schleier wurde dunkler und lag nun auch über dem Garten der Geister, so daß Veronika nicht mehr so deutlich sehen konnte wie vorher.
    Der Luftgeist streckte ihr die Hand hin.
    »Lebe wohl, Veronika«, sagte er.
    »Gehst du auch fort von mir?« fragte Veronika, »gehe nicht fort, ich fürchte mich, allein zu bleiben.«
    »Du wirst nicht allein bleiben«, sagte der Luftgeist, und es war, als ob seine leuchtenden Farben verblaßten, »dein Engel wird über dir wachen, und dann hast du doch Mutzeputz und die anderen, die du um Rat fragen kannst.«
    »Ich hätte noch gerne jemand wie dich oder die Elfe im Baum«, sagte Veronika.
    »Auch das wirst du haben, wenn du ins Haus der Schatten gehen wirst«, sagte der Luftgeist und lächelte freundlich, »im Hause der Schatten lebt ein kleines Geschöpf, das nahe mit uns verwandt ist. Es heißt Magister Mützchen, und es wird dich betreuen, so gutes das kann nach seinen Kräften.«
    »Magister Mützchen?« wiederholte Veronika, »was ist das für ein komischer Name!«
    »Möchtest du dir nicht vielleicht noch einmal mein Landhaus betrachten?« fragte eine kleine, schwache Käferstimme, sehr, sehr ferne und kaum noch vernehmbar.
    Dann wurde es dunkel im Garten der Geister. Die himmlischen Augen hatten sich geschlossen.
    »Veronika!« rief es. Das war die Stimme der Mutter.
    »Ja, Mama, ich komme!«
    Und mit einem Ruck, der ein wenig schmerzhaft war, glitt die kleine Veronika in ihren Erdenleib zurück.
    Die Mutter stand vor ihr und sah sie an.
    »Hast du geschlafen, Veronika?« fragte sie freundlich.
    »Nein, Mama, ich habe nicht geschlafen, ich war sehr wach, und ich war bei einem Käfer und bei der Baumelfe, und nachher hat mir der Luftgeist die silberne Brücke gezeigt.«
    »Du hast geträumt, Veronika.«
    »O nein, das war alles sehr wirklich«, sagte Veronika, und es kränkte sie, daß die Erwachsenen immer wieder nicht begreifen konnten, was doch viel wirklicher war als alles auf der Erde.
    Aber als sie sich selbst genauer auf alles besinnen wollte, konnte

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