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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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sie es nicht mehr. Nur eine Ahnung war da, doch man konnte sie nicht mehr deutlich machen.
    Die große Dämmerung hatte begonnen.
    »Komm, Veronika«, sagte die Mutter, »nimm deine Schaufel und deinen Blecheimer, du kannst dein schönes Gartenbeet morgen weitergraben. Jetzt wollen wir nach Hause gehen. Wo ist denn Mutzeputz?«
    Als Mutzeputz seinen Namen hörte, sprang er in großen Sätzen an Veronika und ihrer Mutter vorbei, lief ihnen voraus und hüpfte über die Treppenstufen auf die Veranda, um dort zu warten. Er wollte es Veronikas Mutter durchaus nicht zugestehen, daß er gekommen war, bloß weil sie ihn rief. Man muß schon selbständig bleiben, wenn man der Kater Mutzeputz ist, nicht wahr?
    »Wie dunkel ist der Garten geworden, und er war doch so hell«, dachte Veronika, »ich sehe gar nichts mehr ordentlich.«
    Es war aber doch nicht ganz so schlimm, und die kleine Veronika konnte noch manches sehen. Unten an den Treppenstufen stand ein sehr kleines Geschöpf mit dünnen Beinen, in einem grauen Kleide und mit einem spitzen, roten Hut auf dem Kopf. Es war nicht größer als zwei Handlängen und dabei sehr beweglich und überaus komisch. Wie sonderbar, daß die Mutter es nicht bemerkte! Sie sagte jedenfalls nichts.
    Veronika lachte, und mit einem Male kam ihr auch die Erinnerung an das, was ihr der Luftgeist zum Abschied gesagt hatte.
    »Bist du Magister Mützchen?« fragte sie.
    »Zu dienen, Mützchen – Magister Mützchen, zu dienen«, sagte das kleine Geschöpf und verneigte sich unaufhörlich.
    Dabei nahm es den roten Hut vom Kopf und hielt ihn sich vor den Magen. Dazwischen schnitt es Fratzen, die wirklich sehenswert waren. Es kam auch die Treppe mit hinauf.
    »Falle nicht, kleine Veronika«, sagte es und nahm Veronika bei der Hand.
    Veronika empfand eine große Ruhe dabei. Es war ihr, als habe sie einen guten Kameraden gefunden.
    »Fällt man denn hier so leicht?« fragte sie, und diesmal redete sie laut und nicht nur in Gedanken.
    »Über diese Stufen sind schon viele gefallen, kleine Veronika«, sagte Magister Mützchen, »ach, so viele! Es ist ja das Haus der Schatten, in das du gehst, und es hat viele Stufen und viele Schwellen.«
    »Mit wem redest du denn, Veronika?« fragte die Mutter.
    »Ach, bloß so«, sagte Veronika.
    Dann gingen sie alle in das Haus der Schatten hinein.
    In dieser Nacht konnte die kleine Veronika lange nicht einschlafen. Sie lag mit offenen Augen im Bett und guckte auf Mutzeputz, der zu ihren Füßen schlief, und auf Magister Mützchen, der am Bettpfosten turnte und unglaubliche Gesichter machte. Es war doch bewunderungswürdig, wie er das konnte.
    »Sei nur leise«, sagte Veronika, »damit die Mutter nicht aufwacht.«
    »Die wacht nicht auf«, meinte Magister Mützchen, »sie schläft ganz fest, und mich würde sie doch nicht bemerken. Aber ich werde jetzt keinen Unsinn mehr machen, es kommt noch jemand zu dir.«
    Mit einem Male wurde es sehr hell im Zimmer, und Veronika sah, wie der Engel von der silbernen Brücke an ihrem Bett stand. Veronika erkannte ihn gleich, und es kam ein großer und froher Friede über sie.
    »Wie schön, daß du kommst«, sagte sie, »ich war ein bißchen ängstlich geworden. Mir ist, als ob ich heute viel erlebt habe und als ob etwas Besonderes geschehen sei.«
    »Das ist wahr, Veronika«, sagte der Engel und sah die kleine Veronika an. Es war viel Liebe in seinen Augen. »Heute hast du für eine lange Zeit zum letzten Male den Garten der Geister und die silberne Brücke geschaut, und deine himmlischen Augen haben sich geschlossen. Nur im Haus der Schatten werden sie noch sehen. Die große Dämmerung ist gekommen und nun beginnt deine Wanderung. Aber du mußt keine Angst haben, wenn es dunkel ist, ich will dir deine drei Lichter anzünden und über dir und ihnen Wache halten.«
    »Ach, bitte, wache auch über Mutzeputz und Magister Mützchen und alle anderen auch«, bat Veronika.
    »Ja«, sagte der Engel, »ich will auch über Mutzeputz und Mützchen wachen. Auch über die anderen, wenn sie über sich wachen lassen wollen. Das wollen ja nicht alle Menschen, so wie du es dir denkst.«
    Still und feierlich stellte der Engel einen großen, seltsamen Leuchter mit drei Armen vor Veronika hin. Auf der Spitze jedes Armes brannte eine kleine Flamme, eine blaue und eine rote an den Seiten und eine goldene, ein wenig erhöht, in der Mitte.
    »Nun brennen deine drei Lichter in der Dämmerung«, sagte der Engel, »Segen auf deinen Weg, kleine

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