Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
machte dem Gespräch ein Ende. Die beiden Herren ritten mit den Hunden und den Vögeln fort. D'Artagnan blieb allein. Nach wenigen Minuten war die Jagdgesellschaft heran. Der König erschien in einer Schar von Herren und Damen. Hinter den Reitern und Reiterinnen sah man drei Kutschen, in denen die Damen saßen. Die erste Kutsche war die der Königin: doch es saß niemand darin. D'Artagnan, der Fräulein von Lavallière suchte, blickte in die zweite Kutsche und sah sie dort mit zwei Ehrendamen. Alle drei schienen sich sehr zu langweilen. An der Seite des Königs aber, wo bisher Luise ihren Platz gehabt hatte, bemerkte d'Artagnan eine andere Frauengestalt: eine stolze, blendende Schönheit. Sie sprach ein paar Worte, und ihre Umgebung zollte ihr durch einmütiges Lachen lauten Beifall – das sicherste Zeichen dafür, daß sie schon in allerhöchster Gunst stand. – »Ah, die Tonnay-Charente,« murmelte d'Artagnan, »die seit kurzem mit Herrn von Montespan verheiratet ist.«
Ludwig XIV. erblickte d'Artagnan. »Wieder zurück, Graf?« rief er, »warum habe ich Sie noch nicht gesehen?« – »Majestät schliefen schon, als ich gestern abend zurückkehrte, und waren noch nicht wach, als ich heute morgen meinen Dienst antrat.« – »Immer derselbe,« sagte Ludwig lächelnd. »Ruhen Sie sich aus, ich befehle es Ihnen, und heute abend speisen Sie mit mir.«Ein Gemurmel der Bewunderung umschwirrte den Musketier – man drängte sich zu ihm, denn von dem König zu Tisch geladen zu werden, war eine große Ehre. Der König ritt weiter, und d'Artagnan sah sich alsbald von einer anderen Gruppe umringt, in deren Mitte er Colbert erblickte. – »Guten Tag, Herr Graf!« rief der Minister, »Sie sind zur Tafel geladen? Da werden Sie einen ehemaligen Freund von Ihnen wiedersehen.« – »Einen ehemaligen Freund?« antwortete d'Artagnan und versenkte sich schmerzlich in die düsteren Fluten der Vergangenheit, die für ihn so viele Freundschaften und Feindschaften verschlungen hatte. – »Den Herzog von Alameda,« fuhr Colbert fort, »den Unterhändler Spaniens, der heute morgen angekommen ist.« – »Den Namen höre ich zum ersten Male,« sagte d'Artagnan verwundert. »Wer ist das?«
»Ich bin es!« antwortete eine Stimme, und ein Greis mit schneeweißem Haar und gebeugtem Rücken stieg aus der dritten Kutsche. – »Aramis!« rief d'Artagnan verblüfft. Er sprang vom Pferde und ließ sich ohne Widerstreben von den zitternden Armen des alten Seigneurs umfassen. – Colbert ritt fort und ließ die beiden Freunde allein.
»So sind Sie hier?« rief d'Artagnan. »Sie, der Rebell, der Geächtete, der Staatsverbrecher?« – »Ich bin in Frankreich und speise mit dem König,« antwortete d'Herblay lächelnd. »Nicht wahr, nun fragen Sie, wozu die Treue auf der Welt frommt? Lassen wir die Lavallière darauf antworten, die hier an uns vorüberfährt. Sehen Sie, wie ihr von Tränen schimmerndes Auge nach dem König blickt, der mit der Frau von Montespan vorausreitet.« – Sie plauderten während derganzen Jagd miteinander. D'Artagnan ritt neben der Kutsche d'Herblays her, welche von ihrem Führer so geschickt gelenkt wurde, daß sie gerade in dem Moment zur Jagdgesellschaft zurückkam, als der Falke den Reiher gestoßen hatte und der König vom Pferde sprang. Zu gleicher Zeit schwang sich Frau von Montespan aus dem Sattel. Der Falke war mit dem Reiher in einer kleinen Umfriedung niedergefallen, in deren Mitte man eine alte Kapelle erblickte, rings von dichten Sträuchern und Bäumen umgeben. Während die Gesellschaft um diese Einfriedung einen Kreis bildete, trat der König hinein, um der Sitte gemäß den von dem Falken festgehaltenen Reiher abzufangen und ihm die erste Feder zu entreißen.
»Wissen Sie, wohin der Zufall uns geführt hat?« sprach d'Artagnan zu Aramis. »Bei dieser Kapelle liegen Leute begraben, die wir gekannt haben,« – »Ha!« rief der Bischof erbleichend, und trat mit dem Musketier durch eine kleine Seitenpforte in die Kapelle. »Wo ruhen sie?« – »Sehen Sie das Kreuz unter der Zypresse dort?« antwortete d'Artagnan. »Doch gehen Sie jetzt nicht hin. Der König ist eben dort, weil der Reiher dicht neben das Doppelgrab gefallen ist.«
Sie blieben im Schatten stehen und sahen nun, ohne selbst gesehen zu werden, das blasse Antlitz der Lavallière, die, hingerissen von Eifersucht, aus der Kutsche gesprungen und in die Umfriedung eingedrungen war. Hier sah sie nun, hinter einen Baum geschmiegt, wie der König
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