Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
»Wenn es gilt, die Familienehre zu retten,« versetzte der Abbé, sich in die Brust werfend.
5. Kapitel. Der Kampf auf dem Grèveplatze
D'Artagnan hatte sich reisefertig gemacht und von seinem Freunde Athos Abschied genommen. Gemäß der Einteilung, die er sich für die ihm bis zum Aufbruch noch übrigen Stunden zurechtgelegt hatte, begab er sich nun, begleitet von Rudolf, mit dem er ein paar Tagereisen zusammen machen wollte, nach dem Wirtshause ›Notre-Dame‹, um von seinem Pächter den fälligen Mietszins einzukassieren. Er hatte gehört – denn die Ausrufer hatten es in der ganzen Stadt verkündet – daß zwei betrügerische Finanzpächter, zwei Erzdiebe und Halsabschneider, am frühen Morgen dieses Tages auf dem Grèveplatz vom Leben zum Tode befördert werden sollten, und wollte nun diese günstige Gelegenheit, die sicherlich seinem Pächter eine volle Gaststube verschaffen würde, benützen, sich sein Geld von ihm zahlen zu lassen. Als der Chevalier und Rudolf auf dem Grèveplatz anlangten – es war gegen halb 2 Uhr nachts – wimmelte es dort schon von Menschen, und es war schwer vorwärtszukommen. Sie bahnten sich mit Ellbogen undDegengefäß mühsam einen Weg durch die Kopf an Kopf gedrängte Menge und erreichten endlich den Eingang zu dem Wirtshaus ›Notre-Dame‹.
Der Chevalier musterte mit Befriedigung die vollen Bänke. »Da hat der Wirt keinen Vorwand,« sagte er zu Rudolf, »mir die Pacht nicht zu zahlen. Volles Haus, volle Börse.« – »Und all dieses Volk ist nur da, um zwei arme Kerle baumeln zu sehen. Pfui Teufel!« murmelte Rudolf. – D'Artagnan hielt den Wirt, der geschäftseifrig hin und her lief, am Schürzenzipfel fest. – »Ah, Sie sind's, Herr Chevalier!« rief der Mann. »Nur einen Augenblick! Hier sind hundert durstige Seelen – ich kann nicht genug herbeischaffen. Ihr Pachtgeld liegt oben, aber in dem Zimmer sitzen auch dreißig Kumpane, die seit heute früh ein Fäßchen Portwein ausgetrunken haben. Eine Minute, Herr Chevalier!« – »Ich gehe fort,« sagte Rudolf, »das alles ist mir zuwider.« – »Du bleibst, Junge,« versetzte d'Artagnan. »Ein Soldat muß sich an alles gewöhnen. Ein jugendliches Auge muß sich abhärten. Wir treten dort in den Hof unter den hohen Baum, da haben wir frische Luft.«
Hätte der Chevalier sich als Vorposten aufstellen wollen, so hätte er keinen günstigeren Platz wählen können. Von hier aus entging ihnen nichts – ja, sie hörten jeden Ausruf, sahen jede Gebärde der Zecher im Gasthause. – »Die Delinquenten werden gleich kommen,« sagte Rudolf. »Sie haben den Wirt wieder laufen lassen, und wir werden nun doch warten müssen, bis die Hinrichtung vorüber ist. Das ist mir gar nicht lieb. Ich sehe so etwas nun einmal nicht gern.« – »So schau nach der andern Seite,« sagte d'Artagnan und betrachtete mit argwöhnischem Blick einen kriegerisch aussehenden Mann,der eben an ihnen vorbeischritt und in das Gasthaus trat. Das Schreien und Toben drinnen hörte auf, die Zechenden scharten sich um den Ankömmling, der eine Ansprache an sie zu halten schien. Dann entfernten sich die Leute gruppenweise, und nur sechs von ihnen blieben zurück. Während der Unbekannte den Wirt auf die Seite zog und ein ernstes Gespräch mit ihm führte, zündeten die sechs Männer ein großes Feuer im Kamin an, was bei dem warmen Wetter dieses Tages sehr auffallend war.
»Sonderbar,« meinte d'Artagnan, »diese Gesichter kommen mir bekannt vor.« – »Riecht es nicht nach Rauch?« fragte Rudolf. – »Ja, es scheint brenzlig werden zu wollen,« murmelte der Chevalier. »Das sieht fast aus wie Verschwörung.« – Im selben Augenblick traten vier der Zurückgebliebenen in den Hof und stellten sich, scheinbar unabsichtlich, bei der Verbindungstür auf. Sie sahen ganz aus, als wollten sie Schildwache stehen. – »Du, Rudolf,« flüsterte der Chevalier. »Hier liegt was in der Luft.« – Er zog mit diesen Worten seinen jungen Freund in die Gaststube. Als die beiden letzten Gäste sie eintreten sahen, stießen sie einander an. »Verstärkung!« flüsterte einer von ihnen. – »Ja, Kameraden, Verstärkung,« sagte d'Artagnan, sich umdrehend. »Ein brillantes Feuer! Was soll denn da gekocht werden?« – Die beiden Kerle lachten laut auf, antworteten aber nicht, sondern legten nur noch mehr Holz auf. – d'Artagnan gab Bragelonne einen Wink, und beide traten wieder an das Fenster.
Der große Platz war ganz mit Menschen angefüllt. Die dichtgedrängten
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