Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
die Tür an zerborstenen Angeln leise schaukelte.
»Du hättest die Tür doch aufmachen können«, seufzte Steiger. »Himmel, das ganze Theater hier bringt mich um!«
»Wo wir gerade davon sprechen«, sagte Pagan, »ich habe in meinem Zimmer vorhin zwei Männer getötet. Belder ist tot – sie haben ihm die Kehle durchgeschnitten.«
Steiger erhob sich mühsam. »Sie haben ihn getötet? Warum?«
»Du hast den Fürsten beleidigt«, erklärte Magir. »Er muß dich töten, er hat keine andere Wahl.«
»Und was ist mit Joacims Geist? Was war der Sinn, ihn zurückzuholen?«
»Das kann ich nicht beantworten, Graf. Aber ihr müßt jetzt gehen.«
»Jetzt? Er hat meinen Freund getötet – wahrscheinlich den einzigen, den ich je hatte. Er war wie ein Vater für mich. Geht und laßt mich allein – alle beide.«
»Mach keine Dummheiten«, warnte Pagan.
»Dummheiten! Es ist alles so dumm. Das Leben ist eine Farce – eine dumme, widerliche Farce, gespielt von Narren. Nun, hier ist ein Narr, der genug hat. Also verschwindet!«
Steiger zog sich rasch an, schnallte den Schwertgurt um und nahm die Klinge in die Hand. Er ging zum Fenster und lehnte sich hinaus. Ein Seil baumelte im Nachtwind, und Steiger packte es, sprang über den Sims und ließ sich Hand um Hand in den Hof hinab.
Vier Wächter beobachteten ihn schweigend, wie er leichtfüßig auf dem Marmorpflaster landete. Er ging in die Mitte des Hofes und starrte zu den Fenstern des fürstlichen Schlafgemachs empor.
»Fürst der Feiglinge, komm heraus!« rief er. »Fürst der Lüge und der Täuschung, zeige dich! Joacim sagte, du wärst ein Schaf. Komm heraus!«
Die Wächter warfen sich einen Blick zu, rührten sich aber nicht.
»Ich bin am Leben, Fürst. Der Bronzegraf lebt! Alle deine Meuchelmörder sind tot, und du wirst ihnen gleich folgen. Komm heraus – oder ich werde dir deine Seele dort nehmen, wo du bist. Komm heraus!
«
Die Vorhänge am Fenster öffneten sich, und der Fürst stand da, das Gesicht rot vor Zorn. Er beugte sich über das steinerne Sims und rief zu den Wächtern hinab:
»Tötet ihn!«
»Komm und tu’s selbst, du Schakal!« brüllte Steiger. »Joacim nannte mich seinen Freund, und das bin ich. In deinem eigenen Tempel hast du ihn gehört, und doch schickst du Mörder auf mein Zimmer. Du rückgratloser Hurensohn! Du entehrst deinen Vorfahren und brichst eure eigenen Gesetze der Gastfreundschaft. Dreckskerl! Komm herunter!«
»Ihr habt mich gehört – tötet ihn!« kreischte der Fürst. Die Wächter setzten sich mit gesenkten Lanzen in Bewegung.
Steiger ließ sein Schwert sinken; seine blauen Augen richteten sich fest auf den ersten Krieger.
»Ich werde nicht mit euch kämpfen«, sagte er. »Aber was soll ich Joacim sagen, wenn ich ihn das nächstemal treffe? Und was werdet ihr ihm sagen, wenn ihr den Weg in die Hölle antretet?« Der Mann zögerte, und Pagan rannte hinter Steiger über den Hof, zwei Schwerter in Händen. Magir war an seiner Seite.
Die Wächter wappneten sich für den Angriff.
»Laßt ihn in Ruhe!« schrie Magir. »Er ist der Graf, und seine Herausforderung ist rechtens.«
»Komm herunter, Fürst der Feiglinge!« rief Steiger. »Deine Zeit ist gekommen!«
Der Fürst kletterte über das Sims und sprang die drei Meter auf das Pflaster herab; sein weißes Gewand flatterte im Wind. Er ging zu einem der Wächter, nahm ihm den Säbel ab und schwenkte ihn, um die Ausgewogenheit zu prüfen.
»Jetzt wirst du sterben«, sagte der Fürst. »Ich weiß, daß du ein Lügner bist. Du bist nicht der längst verstorbene Graf – du bist ein Betrüger.«
»Beweise es!« fauchte Steiger. »Komm schon. Ich bin der größte Schwertkämpfer, den die Welt je gesehen hat. Ich habe die Nadirhorden zurückgeschlagen. Ich habe das Schwert des Joacim Sathuli zerbrochen. Komm und stirb!«
Der Fürst leckte sich die Lippen und starrte in Steigers funkelnde Augen. Schweiß rann ihm über die Wangen, und in diesem Moment wußte er, daß sein Schicksal besiegelt war. Plötzlich erschien ihm das Leben sehr kostbar, und er war ein viel zu wichtiger Mann, als daß er zulassen konnte, daß ein Dämon aus der Tiefe ihn in einen Zweikampf lockte. Seine Hand begann zu zittern.
Er fühlte die Blicke seiner Männer auf sich ruhen, schaute sich um und mußte feststellen, daß der Hof von Sathuli-Kriegern umringt war. Und doch war er allein. Keiner dieser Krieger würde ihm zu Hilfe kommen. Er mußte angreifen – aber das bedeutete den Tod. Mit einem
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