Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
die Augen.
»Das ist etwas zuviel für mich«, sagte er mit einem gezwungenen Lächeln. »Ich glaube, ich werde jetzt schlafen.« Er nahm seine Decke, breitete sie auf dem Boden aus und legte sich darauf; sein Kopf ruhte auf seinem Bündel.
»Du gehörst zum Drachen, nicht wahr?« fragte Renya.
»Woher weißt du das?« fragte er zurück und stützte sich auf den Ellbogen.
»Die Art, wie du gesagt hast: ›mein Zimmer‹.«
»Sehr scharf beobachtet.« Er legte sich wieder hin und schloß die Augen.
»Ich heiße Renya.«
»Gute Nacht, Renya.«
»Willst du mir nicht deinen Namen sagen?«
Er mußte an all die Gründe denken, ihr seinen Namen zu verschweigen.
»Tenaka Khan«, sagte er schließlich. Und schlief ein.
Das Leben ist eine Farce, dachte Steiger, als er dreizehn Meter über dem gepflasterten Hof an den Fingerspitzen hing. Unter ihm schnüffelte ein riesiger Bastard, den zottigen Kopf hin und her schwenkend, die klauenbewehrten Finger um den Griff eines Schwertes mit gezackter Klinge gekrallt. Schnee wehte in eisigen Schauern herein und stach Steiger in die Augen.
»Vielen Dank«, wisperte er und blickte zu den dunklen, schweren Sturmwolken empor. Steiger war ein religiöser Mann, der die Götter als eine Gruppe uralter Wesen betrachtete – Ewige, die mit der Menschheit endlose Scherze von kosmisch schlechtem Geschmack trieben.
Unter ihm schob der Bastard sein Schwert in die Scheide und stapfte davon in die Dunkelheit. Tief Luft holend, zog Steiger sich über die Fensterbrüstung und schob die schwarzen Samtvorhänge auseinander. Er befand sich in einem Arbeitszimmer, das mit einem Schreibtisch, drei Eichenstühlen, mehreren Truhen und einer Reihe von Bücherregalen und Ständern für Schriftrollen ausgestattet war. Das Arbeitszimmer war aufgeräumt, übertrieben aufgeräumt, dachte Steiger, als er feststellte, daß die drei Schreibfedern exakt in der Mitte des Tisches und parallel zueinander ausgerichtet waren. Von Magister Silius hätte er auch nichts anderes erwartet.
Ein langer, silberner Spiegel in einem Mahagonirahmen hing an der Wand gegenüber dem Schreibtisch. Steiger richtete sich zu seiner vollen Größe auf, nahm die Schultern zurück und betrachtete sich in diesem Spiegel. Die schwarze Gesichtsmaske, dunkle Tunika und Beinkleider verliehen ihm ein furchterregendes Äußeres. Er zog seinen Dolch und nahm die Lauerstellung des Kriegers an. Die Wirkung war beängstigend.
Perfekt, sagte er zu seinem Spiegelbild. Dir möchte ich nicht in einer dunklen Gasse begegnen! Er steckte den Dolch wieder weg, ging zur Tür und hob vorsichtig den eisernen Riegel.
Hinter der Tür lag ein schmaler Gang, von dem vier weitere Türen wegführten – zwei auf der linken und zwei auf der rechten Seite. Steiger schlich zum letzten Raum links und hob behutsam den Riegel. Die Tür öffnete sich lautlos, und er ging hinein, wobei er sich dicht an die Wand drückte. Der Raum war warm, obwohl das Holzfeuer im Kamin nur noch schwach brannte, ein gedämpftes rotes Glühen, das die Vorhänge rund um ein großes Bett beleuchtete. Steiger ging zu diesem Bett, um einen Blick auf den dicken Silius und seine ebenso dicke Frau zu werfen. Silius lag auf dem Bauch, sie auf dem Rücken, und beide schnarchten.
Warum schleiche ich eigentlich? fragte Steiger sich. Ich hätte auch laut pfeifend hereinkommen können. Er unterdrückte ein Kichern, fand das Schmuckkästchen in der verborgenen Nische unterhalb des Fensters, öffnete es und ließ den Inhalt in einen schwarzen Samtbeutel gleiten, den er am Gürtel trug. Der Wert des Schmucks würde ihm fünf Jahre ein Leben in Luxus erlauben. Aber so, wie die Dinge lagen, mußte er den Schmuck an einen der schäbigen Händler im Südviertel verkaufen, und dann würde das Geld nur für drei Monate reichen oder für sechs, falls er nicht spielte. Steiger erwog, diesmal die Finger vom Glücksspiel zu lassen, aber das war unvorstellbar. Also gut. Dann eben nur drei Monate.
Er knüpfte den Beutel wieder zu, schlich rückwärts auf den Gang hinaus, drehte sich um …
… und fand sich einem Diener gegenüber, einer großen hageren Gestalt in einem wollenen Nachthemd.
Der Mann schrie auf und ergriff die Flucht.
Steiger schrie ebenfalls auf und flüchtete, schoß eine Wendeltreppe hinab und prallte mit zwei Wächtern zusammen. Beide taumelten zurück und schrien im Fallen. Steiger rollte sich ab, kam wieder auf die Füße und rannte nach links, die Wächter dicht auf den Fersen.
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