Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
schweben gelernt? Hast du uns nicht durch die Nebel der Un-Zeit gefunden? Glaubst du, das hättest du aus eigener Kraft geschafft?«
»Ja.«
»Dann hast du deine eigenen Gebete erhört?«
»Ja.«
Katan lächelte. »Dann bete weiter. Wer weiß, zu welchen Höhen dich das noch tragen wird.«
Jetzt war es an Decado zu kichern. »Du spottest über mich, junger Katan! Das kann ich nicht zulassen. Dafür wirst du heute Abend vorbeten – ich glaube, Acuas braucht eine Pause.«
»Es wird mir eine Freude sein.«
Auf den Feldern galoppierte Ananais auf seinem schwarzen Wallach. Tief über den Hals des Tieres gebeugt, trieb er es an; die Hufe trommelten auf den trockenen Boden. In jenen wenigen Sekunden des Dahinrasens vergaß er seine Probleme, schwelgte in der Freiheit. Hinter ihm ritten Galand und Thorn dichtauf, doch ihre Pferde waren keine Gegner für Ananais’ Wallach, und der Krieger erreichte den Fluß mit zwanzig Längen Vorsprung. Er sprang aus dem Sattel, tätschelte das Pferd, hielt es vom Wasser fern und führte es am Zügel herum, damit es sich abkühlte. Die anderen stiegen ebenfalls ab.
»Das ist unfair!« sagte Galand. »Dein Pferd ist mindestens eine Hand höher als unsere und auf Schnelligkeit gezüchtet.«
Thorn sagte nichts; er grinste nur schief und schüttelte den Kopf. Er mochte Ananais und begrüßte die Änderung, die mit ihm vorgegangen war, seit die hellhaarige Frau in seiner Hütte wohnte. Er wirkte lebendiger – mehr im Einklang mit der Welt.
Die Liebe. Thorn war viele Male verliebt gewesen, und selbst mit zweiundsechzig hoffte er noch auf mindestens zwei oder drei Romanzen. Da gab es eine Witwe, die einen Hof im hohen, einsamen Land im Norden besaß. Er sah oft zum Frühstück bei ihr vorbei. Sie hatte sich noch nicht für ihn erwärmt, aber das würde schon noch kommen – Thorn kannte die Frauen. Es hatte keinen Sinn, etwas zu überstürzen … sanfte Worte, das war die Antwort. Man mußte ihnen Fragen über sie stellen … interessiert sein. Die meisten Männer gingen durchs Leben, fest entschlossen, so schnell zur Brunft zu kommen, wie die Frau es nur zuließ. Sinnlos! Erst reden. Lernen. Dann berühren, zärtlich, liebevoll. Sich kümmern. Dann lieben und bleiben. Thorn hatte das alles früh gelernt, denn er war immer häßlich gewesen. Andere Männer haßten ihn seiner Erfolge wegen, aber nie wollten sie von ihm lernen. Narren!
»Eine weitere Karawane aus Vagria kam heute morgen«, sagte Galand und kratzte sich den Bart. »Aber das Gold aus der Schatzkammer geht zur Neige. Die verdammten Vagrier haben ihre Preise verdoppelt.«
»Es ist ein guter Markt für Verkäufer«, sagte Ananais. »Was haben sie mitgebracht?«
»Pfeilspitzen, Eisen, ein paar Schwerter. Vor allem Mehl und Zucker. Ach ja, und einiges an Leder und Häuten. Die hatte Lake bestellt. Die Lebensmittel sollten für einen Monat reichen – aber nicht länger.«
Thorns trockenes Kichern unterbrach Galand mitten in seinem Bericht.
»Was ist denn so lustig?«
»Wenn wir in einem Monat noch am Leben sind, hungere ich gern ein bißchen–«
»Kommen immer noch Flüchtlinge?« fragte Ananais.
»Ja«, antwortete Galand, »aber es werden weniger. Ich glaube, wir können es schaffen. Die Armee besteht jetzt aus fast zweitausend Mann, aber es wird schwierig. Ich mag es nicht, herumzusitzen und darauf zu warten, daß ich reagieren kann. Der Drache ging immer davon aus, daß der erste Schlag entscheidend ist.«
»Wir haben keine Wahl«, sagte Ananais, »da wir in den nächsten Wochen eine so breite Front wie nur möglich halten müssen. Wenn wir uns zurückziehen, werden sie uns einfach nachsetzen. Im Moment sind sie unentschlossen, was sie tun sollen.«
»Die Männer werden nervös«, sagte Thorn. »Es ist nicht leicht, einfach so herumzusitzen – das bringt sie zum Grübeln. Sie malen sich Dinge aus. Rayvan vollbringt Wunder und reist von Tal zu Tal, entfacht ihren Mut und nennt sie Helden. Aber vielleicht ist das nicht genug.
Der Sieg war berauschend, Ananais, doch inzwischen sind sehr viele Männer hier, die damals nicht dabei waren und gekämpft haben. Sie sind ungeübt. Und sie sind nervös.«
»Was schlägst du vor?«
Thorn zeigte wieder sein schiefes Grinsen. »Ich bin kein General, Schwarzmaske. Sag du’s mir!«
15
Caphas entfernte sich von den Zelten und breitete seinen schwarzen Mantel auf dem trockenen Boden aus. Er nahm den dunklen Helm ab und legte sich nieder. Die Sterne strahlten hell, doch
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