Die Drenai-Saga 3 - Waylander
bellende Hunde.«
»Das ist wahr, aber du fürchtest mich, kleiner Mann«, sagte Karnak gelassen. »So, und jetzt hast du zwanzig Sekunden, um deine Männer vom Tor abzuziehen. Danach wird die Luft gespickt sein mit Pfeilen und Tod.
Geh
!«
Kaem machte auf dem Absatz kehrt und sah sich mehreren hundert Kriegern gegenüber – der Elite seiner Truppe –, und die ganze Demütigung traf ihn wie ein Schlag. Er war in der Festung, die Tore standen offen, und trotzdem konnte er nicht den Angriff befehlen, denn jeder Bogenschütze hatte die Sehne gespannt und zielte auf ihn. Und um sich selbst zu retten – und er mußte sich unbedingt retten –, mußte er ihnen den Rückzug befehlen. Seine Aktien bei den Männern würden sinken, und die Moral würde einen ernsthaften Dämpfer erhalten.
Er fuhr herum, sein Gesicht war dunkelrot vor Wut. »Genieß diesen Moment, Drenai! Ab jetzt werden solche Höhepunkte rar!«
»Fünfzehn Sekunden«, sagte Karnak.
»Zurück!« rief Kaem. »Zurück durch das Tor.«
Spöttisches Gelächter verfolgte den vagrischen General, als er sich einen Weg durch seine Truppe bahnte.
»Schließt die Tore«, brüllte Karnak, »und dann macht euch bereit für die Hurensöhne!«
Gellan gesellte sich zu Karnak. »Was hast du mit den Hafenanlagen und dem Umbringen gemeint?«
»Dardalion erzählte mir, daß sie das vorhätten. Kaem hatte Degas versprochen, daß den Männern nichts geschehe, es war eine üble Lüge und genau das, was man von Kaem erwarten konnte, aber Degas war zu erschöpft, um es zu erkennen.«
»Da wir gerade von Erschöpfung reden«, sagte Gellan, »da ich mich über zehn Stunden durch die Felsen unter den Verliesen gebuddelt habe, fühle ich mich selbst ein wenig erschöpft.«
Karnak schlug ihm kräftig auf den Rücken. »Deine Männer haben gut gearbeitet, Gellan. Nur die Götter wissen, was geschehen wäre, wenn wir auch nur eine Stunde später angekommen wären. Trotzdem, es tut gut zu wissen, daß man ein Glückspferd reitet, was?«
»Glück, General? Wir haben uns einen Weg in eine belagerte Festung gegraben und den mächtigsten General des Kontinents verärgert. Was hat das mit Glück zu tun?«
Karnak kicherte. »Er
war
der mächtigste General des Kontinents, aber heute hat sein Ruf gelitten. Er wurde gedemütigt. Sein Mantel der Unbesiegbarkeit hat einen Riß bekommen.«
Jonat marschierte auf der Mauer entlang und brüllte Befehle für die fünfzig Männer unter seinem Kommando. Sie hatten sich am Morgen blamiert, als sie in Panik die Flucht ergriffen, während die Vagrier die Mauer neben dem Torturm stürmten. Mit zehn Schwertkämpfern war Jonat hingeeilt, um die Lücke zu schließen, und wie durch ein Wunder war der langgliedrige, schwarzbärtige Legionsreiter unverletzt geblieben, obwohl sechs seiner Kameraden an seiner Seite starben. Karnak hatte die Gefahr gesehen und war Jonat zu Hilfe geeilt, seine riesige doppelköpfige Axt schwingend und gefolgt von hundert Kämpfenden. Die Schlacht am Torturm war kurz und blutig, und gegen Ende hatten auch die Männer aus Jonats Abteilung den Kampf wieder aufgenommen.
Jetzt, als der Abend hereinbrach und die Sonne blutrot unterging, kanzelte Jonat sie ab. Wenn er seinen Zorn vergaß, kannte der große Krieger den Grund ihrer Panik und konnte ihn sogar verstehen. Die Hälfte der Männer waren Legionskrieger, die andere Hälfte waren eingezogene Bauern und Kaufleute. Die Krieger trauten den Bauern nicht zu, ihren Mann zu stehen, während sich die Bauern verloren und fehl am Platz fühlten in der wahnsinnigen Hölle aus zuckenden Schwertern und wilden Schreien.
Schlimmer noch, es waren die Krieger gewesen, die davongelaufen waren.
»Seht euch um«, rief Jonat. Ihm war bewußt, daß andere Soldaten die Szene beobachteten. »Was seht ihr? Eine Festung aus Stein? Es ist nicht, was es scheint – es ist eine Burg, aus Sand gebaut, und die Vagrier peitschen dagegen wie ein aufgebrachtes Meer. Sie steht nur so lange, wie der Sand zusammenhält. Versteht ihr das, ihr Tölpel? Heute seid ihr vor Entsetzen geflohen, und die Vagrier konnten die Mauer stürmen. Hätten wir sie nicht schnell zurückerobert, wären sie in den Hof hinter den Toren eingedrungen, und die Festung wäre ein riesiges Grab geworden.
Geht es denn nicht in eure Schädel, daß ihr nirgendwo in Sicherheit seid? Wir kämpfen, oder wir sterben.
Sechs Männer sind heute an meiner Seite gestorben. Gute Männer – bessere Männer als ihr. Ihr werdet morgen an sie
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