Aufs Spiel gesetzt (German Edition)
Prolog
Alles, was zählt
Arco Arena, Stadion der “Kings”, Sacramento, Kalifornien
XANDER KARCEK donnerte über den glänzenden Holzboden des Spielfelds, die Oberschenkelmuskeln angespannt, der riesige Bizeps immer in Bewegung, während der Schweiß von seinen schwarzen Haaren tropfte, die ihm in die Stirn hingen. Der Ball sang auf den Dielen vor ihm und sprang in die Fläche seiner weit gespreizten Hand zurück, während er wild dribbelte, dem Gegner um Längen voraus und in perfekter Position, um zu punkten.
Er tat es nicht.
Stattdessen gab er den Ball mit dem nächsten Dribbeln nach hinten. Christian Edwards fing ihn mit einer Hand und dribbelte weiter über die Mitte des Spielfeldes. Er musste nicht hinter sich sehen, um zu wissen, dass Chris ihm direkt auf den Fersen war – er musste nie hinter sich sehen. Chris war immer da. Chris wusste nicht, wie man versagte. Und so war Xander, mit erstaunlich breiten Schultern für einen Kerl mit etwas über zwei Metern und Schuhgröße 54, bereit, als die Gegenspieler sich mit ausgestreckten Armen und breiten Beinen hinter ihm aufbauten, um den Wurf zu blocken.
Und Chris, der Center, der wie üblich mit dem Rücken zum gegnerischen Korb angriff, sprang in die Luft, drehte seinen Körper und beförderte den Ball mit einem Dunking auf Höhe seiner Brust ins Netz. Die fünfzehntausend erregten Stimmen hallten um sie wider, bis das Geräusch sich so verdichtet hatte, dass man es mit der verschwitzten Hand hätte schneiden können und brachen schließlich in ein Geschrei wilder, unbändiger Freude aus, um Chris zu feiern.
Genauso sollte es sein. Die ganze Welt sollte Chris feiern.
Xander und Chris liefen aneinander vorbei, während Chris noch versuchte, nach dem Dunking seinen Laufrhythmus wiederzufinden und stellten sich Rücken an Rücken auf, um das andere Team abzufangen. Dann schwangen ihre Arme vom Ellbogen an nach unten und trafen sich in einem geschmeidigen Handschlag, während sie sich triumphierend anknurrten.
Gott, sie liebten dieses verdammte Spiel. Xander wollte nur dafür leben, Chris würde dafür sterben und zusammen würden sie niemals aufhören, solche spektakulären, magischen Tricks auf dem Spielfeld vorzuführen.
Es war ihr Leben, das, was sie ausmachte, verdammt, und keine Seele auf diesem Planeten konnte ihnen das nehmen.
Oh, bitte Gott, lass nicht zu, dass jemand es uns nimmt. Bitte.
Chris´ Hand klapste Xander leicht auf die Hüfte und Xanders Augen zuckten nach unten. Ein Moment der Schwäche in dieser scharf umrissenen, hell erleuchteten Welt, mit ihnen beiden im glühend heißen Zentrum unter der Lupe.
Xander hatte vor langer Zeit gelernt, dass es der Welt so leicht fiel, ihm Dinge zu nehmen.
Chris war Xanders einziger Grund zu glauben, dass Gott einem manchmal auch etwas wieder zurückgab.
Hausmannskost
Fünfzehn Jahre zuvor
E S WAR kalt und das Licht wurde schwächer, aber Xander würde lieber in der Hölle schmoren, als nach Hause zu gehen. Seine Mutter wäre sicher zu Hause, zusammen mit ihrem aktuellen, Crack rauchenden Freund. Sie hätten den Tag damit verbracht, Rauch einzuatmen, zu streiten, Rauch auszuatmen und Sex zu haben und die Wohnung würde danach stinken. Es gäbe kein Essen und wenn einer von ihnen hörte, dass Xander da war, würde er versuchen, ihn grün und blau zu prügeln.
Xander war groß – einsfünfundachtzig, trotz seiner vierzehn Jahre – aber manchmal hätte er schwören können, dass die Knochen an seinem Handgelenk dicker waren als sein Bizeps und es half auch nicht gerade, dass nie etwas zu essen im Haus war. Und ihm war auch nicht danach, Crack zu rauchen, um den Hunger loszuwerden, wie es seine Mutter ihm immer wieder vorschlug.
Na gut, es war spät und kalt, aber hier, auf dem Basketball-Feld im Stadtpark, gab es nur ihn, eine Straßenlaterne und seinen dampfenden Atem. Es spielte keine Rolle, dass er keinen Pullover hatte, oder dass er seit gestern morgen nichts mehr gegessen hatte. Alles, was zählte war, dass der Ball – sein einziger Besitz, gestohlen aus dem Walmart in einem Moment der Verzweiflung – sich in seiner Handfläche gut anfühlte, dass er ihn rhythmisch über den rissigen Asphalt hämmern und dann das übliche Poltern und Zischen hören konnte, wenn er durch die Ketten des Korbes rauschte.
Aber es war schwierig, bei der Sache zu bleiben, wenn man so hungrig war und als eine Stimme versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, musste Xander blinzeln und sich darauf
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