Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
Treppe. Er sprang auf und zog sein Schwert. Als die Gothir herunterschwärmten, zerrte Angel den Tisch beiseite, um sich ihnen zu stellen. Miriel war dicht hinter ihm.
Angel tötete zwei Krieger, Miriel einen dritten, und die Gothir wichen zurück. Ein Bogenschütze tauchte oben an der Treppe auf. Miriel warf ein Messer, das ihn in die Schulter traf, und der Mann fiel hintenüber. Angel wich zurück und verkeilte den Tisch im Treppenaufgang. »Na«, sagte er mit einem breiten Grinsen, »noch sind wir nicht am Ende.«
Als er durch die Halle marschierte, sah er den Priester Ekodas, der neben dem getroffenen Dardalion kniete. Der Abt schlief noch, und Angel blieb stehen. »Wie geht es ihm?« fragte er.
»Er stirbt«, antwortete Ekodas.
»Ich dachte, du hättest die Wunde geheilt.«
»Habe ich auch, aber sein Herz hat aufgegeben. Es ist nahezu zerrissen, und die Klappen sind dünner als Papyrus.« Es war das erste Mal, daß die beiden Männer seit dem Kampf gegen das Ungeheuer miteinander sprachen. Ekodas blickte auf; dann erhob er sich und stand vor dem ehemaligen Gladiator. »Es tut mir leid, was geschehen ist«, sagte er. »Ich … ich …«
»Es war der Kristall«, warf Angel rasch ein. »Ich weiß. Er hatte eine ähnliche Wirkung auf mich.«
»Aber du hast ihn zerstört.«
»Ich hatte ihn auch nie in den Händen. Quäl dich nicht, Priester.«
»Ich bin kein Priester mehr. Ich bin nicht würdig.«
»Ich bin kein Richter, Ekodas, aber wir alle haben unsere Schwächen. Wir sind so geschaffen.«
Der schlanke Priester schüttelte den Kopf. »Das ist sehr großmütig von dir. Aber ich schaute zu, wie dein Freund starb – und ich schloß einen Pakt mit dem Bösen. Zhu Chao kam zu mir in jene Kammer. Er schien wie … wie ein seelenverwandter Bruder. Und in dieser kurzen Zeit hatte ich solche abscheulichen Träume. Ich hätte nie gedacht, daß eine solche … Dunkelheit in mir steckt. Ich werde jetzt einen anderen Pfad wählen.« Er zuckte die Achseln. »Der Kristall hat mich nicht verändert, verstehst du. Er hat mir lediglich die Augen geöffnet, was ich bin.«
Dardalion regte sich. »Ekodas!«
Der junge Priester kniete neben dem Abt nieder und nahm seine Hand. Angel ging zur Barrikade hinüber.
»Ich bin hier, mein Freund«, sagte Ekodas.
»Alles … tat ich … im Glauben, mein Sohn. Und ich fühle, daß die anderen auf mich warten. Rufe die Lebenden zu mir.«
»Es ist nur noch Vishna da.«
»Ah. Dann hole ihn.«
»Dardalion, ich …«
»Du möchtest von … deinen Gelübden entbunden werden. Ich weiß. Die Frau, Shia.« Dardalion schloß die Augen, und Schmerzen verkrampften seine Züge. »Du bist frei, Ekodas. Frei zu heiraten, zu leben … zu sein.«
»Es tut mir leid, Vater.«
»Es gibt nichts, was dir … leid tun müßte. Ich habe dich dort hinuntergeschickt. Ich kannte dein Schicksal, Ekodas. Von dem Augenblick an, als Shia zum Tempel kam, bestand ein Band zwischen euch. Lebe in Frieden, Ekodas … und genieße die Freuden der Liebe.« Er lächelte schwach. »Du hast deine Pflicht mir und den anderen gegenüber getan. Jetzt … hol Vishna, denn die Zeit wird knapp.«
Ekodas schickte einen Gedankenimpuls aus, und der große Krieger mit dem gegabelten Bart rannte von der anderen Seite der Halle herbei und kniete neben dem sterbenden Abt nieder. »Ich kann nicht mehr sprechen«, flüsterte Dardalion. »Nimm Verbindung mit mir auf.«
Vishna schloß die Augen, und Ekodas wußte, daß ihre beiden Geister jetzt vereint waren. Er machte keinen Versuch, sich ihnen anzuschließen, und wartete geduldig darauf, daß es vorbei war. Er hielt Dardalions Hand, als der Abt starb. Vishna riß sich stöhnend los; dann schlug er die dunklen Augen auf.
»Was hat er gesagt?« fragte Ekodas und ließ die Hand los.
»Wenn wir überleben, soll ich nach Ventria reisen und einen neuen Tempel gründen. Die Dreißig werden weiterleben. Es tut mir leid, daß du mich nicht begleitest.«
»Ich kann nicht, Vishna. Ich habe es verloren. Und, um die Wahrheit zu sagen, ich möchte es nicht zurückhaben.«
Vishna stand auf. »Weißt du, in dem Moment, als er starb und mir entglitt, spürte ich die Gegenwart der anderen – Merlon, Palista, Magnic. Sie alle warteten auf ihn. Es war wunderbar. Wirklich wunderbar.«
Ekodas blickte in Dardalions totes Gesicht, das vollkommen ruhig und ernst war. »Lebwohl, Vater«, flüsterte er.
Die Stille außerhalb der Festung wurde durch ferne Trompetenstöße durchbrochen.
»Die
Weitere Kostenlose Bücher