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Die dritte Weissagung

Die dritte Weissagung

Titel: Die dritte Weissagung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hatte.
    Die Tür stand offen, aber dem Anschein nach hatte es niemand gewagt, den Raum dahinter zu betreten, aus dem das Wehgeschrei tönte, das normalerweise die Ankunft eines neuen Erdenbürgers begleitete.
    Die Mutigste war, wie beinahe üblich, Schwester Severin. Sie stand immerhin schon jenseits der Schwelle, als die Äbtissin sich einen Weg zu Lucia bahnte.
    Aber auch Severin hatte es offenbar nicht über sich gebracht, zu der greisen Seherin zu eilen und ihr den Beistand zu leisten, den sie brauchte.
    In der Qual ihrer ... Wehen.
    Das vormals noch leise Gemurmel, das die furchtsamen Gebete der Ordensschwestern transportierte, schwoll hinter der Äbtissin zu einem Chor an, der sie selbst flüchtig an eine Satansbeschwörung denken ließ - an das völlig Entstellte des eigentlichen Sinnes also.
    Sie fröstelte.
    Und während das Brennen und Prickeln auf ihrer Haut erträglicher wurde, obwohl sie ihre Befürchtung bestätigt fand, fauchte sie in die Runde: »Holt endlich den Doktor! Seht ihr nicht, wie sie leidet?«
    Jemand löste sich aus der Menge und wankte durch den Korridor davon. Wenig später waren Schrittgeräusche zu hören, die verrieten, daß die Schwester zu rennen begonnen hatte wie vielleicht noch nie in ihrem Leben.
    Die Äbtissin ging zu Lucia und nahm die schweißnasse Hand der Greisin in ihre eigenen Hände.
    »Schon gut. Dir wird gleich geholfen, mein Kleines .«
    Es war das fünfte Mal.
    Lucia starrte mit leerem Blick zu der Äbtissin empor. Ihr Gesicht war naß von Tränen, die der Schmerz aus den Augen gequetscht hatte.
    Eine Weile schien es, als wäre sie zu keinem Wort fähig. Dann krächzte sie: »Ich sehe Blut. Der Himmel weint Blut ...!«
    Die Äbtissin drückte die runzlige Hand fester. »Es geht gleich vorbei!«
    Es war immer vorbeigegangen, dieses unerklärliche, entwürdigende Schauspiel.
    Lucias Fingernägel krallten sich ins Fleisch der Äbtissin, als der nächste Schub einsetzte.
    Die nächste Wehe.
    Niemand schien es freiwillig zu ertragen, aber alle Augen waren auf die alte Frau gerichtet, die Tochter eines einfachen Bauern aus Fatima, die dalag, die Knie leicht angezogen, als ließe sich der ziehende Schmerz dadurch besser ertragen, und der Bauch prall wie ein aufgeblasener Ballon, so gewaltig, daß jeder Betrachter unwillkürlich fürchtete, er könnte bersten.
    Die Äbtissin leistete Lucia Beistand, bis endlich der Arzt erschien. Er war schon die Male zuvor gerufen worden und eingeweiht.
    Noch während er seine Tasche auf dem Bett neben Lucia abstellte und mit geübten Bewegungen eine schmerzlindernde Spritze aufzog, wandte er sich vorwurfsvoll an die Äbtissin und fragte: »Wann wollen Sie es endlich melden? Wenn Sie es nicht wollen, werde ich es tun!«
    »Das dürfen Sie nicht, und das wissen Sie. Sie haben einen Eid geschworen.«
    »Und sie glauben nicht, daß mich das hier ...«, er zeigte mit der Injektionsnadel auf Lucia dos Santos, ». von jedem Eid entbindet?«
    »Nein.«
    Mit einem ärgerlichen Brummen auf den Lippen widmete sich der Arzt seiner Patientin. »Die fünfte Scheinschwangerschaft ... bei einer Dreiundneunzigjährigen! Ich muß den Verstand verloren haben, daß ich mich darauf einlasse ...!«
    »Wir alle haben den Verstand verloren - aber hielten Sie es für eine Alternative, daß auch der Rest der Welt ihn verliert?« fragte die Äbtissin tonlos.
    Der Doktor schwieg.
    Lucia seufzte erleichtert, als das Morphium seine Wirkung entfaltete. Der Einsatz der Droge gefährdete kein sonstiges Leben außer dem ihren.
    Der aufgeblähte hohle Bauch war leer.
    Zumindest hoffte dies ein jeder, der Lucia dos Santos in ihrem Siechtum zu sehen bekam.
    Bislang war jede dieser Pseudoschwangerschaften ebenso abrupt wieder abgeklungen, wie sie eingesetzt hatte.
    Eine Greisin gebar kein Kind mehr.
    Aber was hatte es dann zu bedeuten?
    Sieben Zeichen hatte Lucia prophezeit. Und ein jedes dieser Zeichen erkannte sie erst, wenn es eingetreten war. Sämtliche Details dessen, was sie einst niedergeschrieben und dem Vatikan übergeben hatte, hatte sie vergessen.
    Es war eine Tragödie. Für die ganze Menschheit. Aber auch für Lucia ganz persönlich.
    Die Äbtissin saß bis zum Einbruch der Dunkelheit neben dem Bett der gestraften Seherin. Niemand sonst störte länger die Ruhe der Alten.
    Die Wehen waren abgeklungen, der Bauch wieder flach.
    Wie im Delirium hatte Lucia das fünfte Zeichen geschildert: Ströme von Blut, die vom Himmel fielen .
    Die Äbtissin starrte auf die arme

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