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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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wundersamerweise sehr schnell, während meine Kameraden an ihren Wunden schwer litten und einige uns noch unter den Händen wegstarben. Wir legten sie vor die Burg und bedeckten sie mit Reisig, denn begraben konnten wir sie nicht im gefrorenen Boden. Es war weit nach Mitternacht, als mir etwas ins Ohr wisperte und mich aufforderte, zum Aufgang des Bergfrieds zu kommen. Ich hielt es für ein Traumgespinst, aber die Stimme kam immer wieder und wurde eindringlicher und heftiger fordernd, bis sie sich schließlich zu einem schrillen Kreischen steigerte, das mir schier das Trommelfell zerreißen wollte! Ich sah mich um und stellte fest, dass offenbar niemand außer mir sie gehört hatte. So erhob ich mich schließlich, griff sichernd nach meiner Waffe und suchte den Aufgang zum Bergfried. Ihn zu finden war nicht schwer, denn die Stimme an meinem Ohr leitete mich.«
    »Und dann? Was geschah dort? … Nun sprich doch …« Ich konnte vor Aufregung kaum an mich halten.
    »Ich ging dem Utz in eine Falle. Offenbar ist er tatsächlich zur russischen Armee übergelaufen und bekleidet dort einen höheren Posten. Er stand nämlich am Treppenaufgang zum Turm, während alle anderen Ausgänge von seinen russischen Helfersknechten verstellt waren. Ich hätte ihn nicht erkannt, wenn nicht seine Worte ihn eindeutig ausgewiesen hätten. Er wirkte noch immer feist, aber sein Kopf war kahl geschoren und er war bleich wie ein Geist,nur seine Augen in den schwarzen Höhlen funkelten wie polierter Bernstein mit seltsamem Feuer. Er trug ein schwarzes Mal am Hals, wohl an der Stelle, wo mein Biss ihn traf, und das Fett des Lebemannes hatte sich in harte Muskelmasse verwandelt. Vor mir erblickte ich einen Herkules, einen Gladiator, gestählt und waffenstarrend – und so barbarisch focht er auch. Sein zynisches Lachen begrüßte mich und mit seiner dröhnenden Stimme sagte er dann, seinen Platzvorteil voll ausspielend:
    ›Willkommen, Herr Leutnant, ach nein, Oberleutnant, wie ich sehe! Seid Ihr bei guter Gesundheit? Ihr schuldet mir, wie Ihr Euch sicher erinnern werdet, noch ein Duell um die Dame Eures Herzens, die übrigens immer noch meine Ehefrau ist.‹
    Er warf mir einen Kosakensäbel zu, der klirrend vor meine Füße fiel.
    ›Ich habe mir erlaubt, die Wahl der Waffen vorzunehmen, und hoffe, sie ist Euch recht. Pistolen sind so unsinnlich, findet Ihr nicht auch?‹, sagte er überheblich. ›Ein oder zwei Schuss und alles ist vorbei. Wie viel männlicher und erregender ist doch da der Klang sich kreuzender Klingen!‹
    Und ohne ein Signal begann er wie wahnsinnig auf mich einzuschlagen, und jeder Hieb, der mich in diesem Zweikampf traf, hätte eigentlich tödlich sein müssen. Ich konnte nur rasch den Säbel aufnehmen, um sogleich hastig zu parieren, was misslang und mir eine tiefe Fleischwunde auf dem rechten Arm einbrachte, die sofort heftig blutete. Mit unglaublicher Kraft zerfetzte er mir den linken Unterarm, die Schulter und hieb mir eine lange Scharte auf der Stirn, sodass ich, als das Blut daraus hervorquoll und mir über die Augenbrauen rann, kaum noch sehen konnte. Er triebmich bald die Wendeltreppe hinauf bis auf die Spitze des Bergfrieds. Als ich dort ins Freie stolperte, stand der Mond am Himmel und beschien eine kalte, zu Eis erstarrte Welt. Meine Kräfte ließen nach, denn er hatte mich mit weiteren Hieben getroffen und nicht unerheblich verwundet. So geriet ich ins Wanken und fiel nach vorne direkt in seinen Säbel, der mir zwischen den Rippen auf der rechten Seite tief in die Lunge drang, sodass ich ihm, als er den Säbel dicht vor mir stehend aus meinem Körper zog, einen Schwall meines Blutes direkt in sein widerliches Gesicht spie. Ich war so gut wie tot, doch weil ich ihm den Triumph, mich im Duelle um dich besiegt zu haben, auch um deinetwillen nicht gönnen wollte, raffte ich mich mit letzter Kraft auf, um mich vom Bergfried zu Tode zu stürzen. Lieber mit zerschmetterten Gliedern und gebrochenem Genick zwischen den Gräbern enden, als hier zu Füßen meines Feindes zu krepieren.«
    Amadeus schwieg einen Moment erschöpft, bevor er fragte: »Es ist mir unverständlich, woher Utz diese unglaubliche Energie nahm, durch die er über so viel mehr Kraftreserven verfügte als ich. Er ist schließlich kein junger Mann mehr und auch nicht durch den Dienst beim Militär gestählt.«
    »Dafür gibt es nur eine Erklärung«, sagte ich bedrückt. »Er ist inzwischen ein vollkommener Vampir mit allen seinen übermenschlichen

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