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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Amadeus von uns allen umhegt, dennoch wirkte er seltsam kraftlos und war immer noch sehr viel blasser als sonst. Ich fragte mich natürlich sogleich, ob das vielleicht ein Zeichen dafür sein mochte, dass sein Verwandlungsprozess zum Vampir inzwischen weiter fortgeschritten war und ihm nur eine Blutmahlzeit fehlte, um ihm seine alte Vitalität zurückzugeben.
    Aber wenn er mit Amanda zu den Pferdeboxen ging, wirkten sie wie ganz normale Menschen, Vater und Tochter in herzlichem Einvernehmen. Trotzdem schien es mir, als miede er das helle Sonnenlicht, denn er wählte stets die Abendstunden oder dämmrige Tage, um mit ihr auszureiten.
    »Es freut mich, dass ihr die Pferde noch habt«, meinte Amadeus eines Abends. »Sie konfiszieren überall alles, was kriegsverwendungsfähig ist. Automobile, Wagen, Pferde. Besonders im Westen wird viel Material verschlissen.«
    Ich schluckte und Amanda fragte sofort empört: »Material verschlissen? Du meinst, sie schicken unsere Pferde zum Krepieren an die Front?«
    Er entschuldigte sich sofort für seine Wortwahl, allein in der Sache änderte das nichts. »Ihr müsst damitrechnen, dass man auch eure Pferd zum Kriegsdienst holen wird.«
    »Nein!« schrie Amanda, »Nein! Meinen Baldur kriegen sie nicht!« und lief weinend in ihr Zimmer.
    »Ich hätte davon nicht reden sollen«, sagte Amadeus bedrückt. »Es tut mir so leid.«

    Viel zu bald endete Amadeus’ Heimaturlaub, und obwohl er körperlich wieder in leidlicher Verfassung war, schien ihm etwas auf der Seele zu liegen, was ihm immer mal wieder ganz plötzlich das Gemüt verdunkelte und ihn selbst im Spiel mit Amanda oftmals abrupt innehalten ließ. Dann kehrte sich sein Blick nach innen und jedes an ihn gerichtete Wort war vergebens, denn es erreichte ihn nicht.
    Ich war mehrfach deswegen in ihn gedrungen, um herauszufinden, was er vor uns verbarg.
    Am letzten Abend lag ich erschöpft nach verzweifeltem Liebesakt in seinem Arm, als er unvermittelt sagte: »Ich habe den Utz gesehen.«
    »Das kann nicht sein. Er ist in Afrika, niemand kann die Blockade durchbrechen.«
    »Es sei denn, er reist über das Mittelmeer und Italien, was immerhin möglich ist.«
    Ich war alarmiert.
    »Wo hast du ihn gesehen? In Berlin? Warum hat Hansmann mir nicht von seiner Rückkehr berichtet?«
    Amadeus setzte sich auf. Sein nackter Rücken war muskulös, eine verschorfte Wunde, wie von einem Streifschuss, zog sich über das linke Schulterblatt.
    »Es war nicht in Berlin«, sagte er offensichtlich mit einer Erinnerung kämpfend, die ihn aufzuwühlen schien. »Es war in den Karpaten … ja, ebenda, in der Hohen Tatra«
    Ich war entsetzt.
    »Doch nicht in Przytulek? Sag nicht, dass du ihn dort getroffen hast, in der Burg seiner Ahnen?«
    Amadeus zuckte die Schultern.
    »Ich weiß nicht. Es gab keinen Ort, jedenfalls erinnere ich mich nicht, aber es war Nacht und Dunkelheit, und obwohl ich nachts besser sehe als alle meine Kameraden, habe ich außer der Burg nichts von einem Dorf erkennen können. Ein Friedhof lag am Fuß ihrer schroffen Mauer mit vielen zerbrochenen Grabsteinen … einem zerborstenen Heiland an einem umgestürzten Kreuz … ein Engel aus Stein stand hinter einer Bank … Kennst du den Platz?«
    Ich nickte. Kein Zweifel, er war in Przytulek.
    »Ich hatte mich mit einem kleinen Trupp aus unwegsamem Gelände dorthin gerettet, nachdem wir einen Hinterhalt überlebt hatten, in dem wir uns von drei Seiten dem russischen Maschinengewehrfeuer ausgesetzt sahen. Zwei Drittel meiner Leute lagen bereits in ihrem Blut, und als wir den Rückzug antraten, da ritt Utz plötzlich auf einem schwarzen Wallach in einer russischen Uniform auf mich zu und feuerte aus nächster Nähe auf mich. Ein Streifschuss traf mich an der Schulter, bevor ich mich hinter einen Felsen rollen konnte.«
    »Und du bist sicher? Glaubst du, er hat auch dich erkannt?«
    »Daran besteht nicht der geringste Zweifel. ›Verrecke, von Treuburg-Sassen!‹, hat er gebrüllt, doch dann warfen ihn Schüsse von unserer Seite aus dem Sattel. Ich wähnte ihn tot, doch als wir uns später sammelten und unsere Toten und Verletzten bargen, da lag er nicht mehr unter ihnen.«
    Das wunderte mich nicht. So wie die Wunde vonAmadeus rasch verheilt war, so würde auch Utz von jeder Verletzung, die ihm zugefügt worden war, in kürzester Zeit genesen.
    »Auf unserem Rückzug kamen wir zu dieser Burg und natürlich machten wir, da sie verlassen schien, Quartier in ihrer Halle. Meine Verletzung heilte

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