Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
Metall belastete, war einfach zu abwegig.
»Aber wozu dann die Stadt überfallen? Aus Mordgier? Warum nicht mitnehmen, was man gebrauchen kann?«
Darauf hatte Narem keine Antwort. Natürlich würde kein Elf des Waldes silberne Münzen einstecken oder sich mit für ihn nutzlosem Tand behängen. Aber ein Elf würde auch nicht eine friedliche Stadt wie Ke’leth angreifen und eine solche Gräueltat verüben.
»Wir sollten schauen, ob einer der anderen mehr Erkenntnisse gewonnen hat.«
Der Weg bis zum Stadttor war nicht weit, aber Deilavas Gefühl nach benötigten sie eine Ewigkeit, bevor sie endlich die Möglichkeit hatte, die drückende Atmosphäre der Stadt hinter sich zu lassen. Narem rief die Wache zu sich, die im Schatten des Tores verborgen hockte, und hieß sie, die anderen Elfen zu versammeln, während Deilava bis zum Waldrand vorging und dort wartete.
Nach und nach kamen sie, und in jedem Gesicht konnte sie den Schmerz lesen, den die Anblicke in der Stadt in die Herzen geschrieben hatten.
Narem stieß als Letzter zu ihnen. Sie bildeten einen kleinen Kreis, und er ließ seinen Blick von einem zur anderen wandern. »Haben wir Antworten auf unsere Fragen gefunden?«
Nacheinander berichteten sie. Es gab wenig, was Deilava und Narem nicht schon besprochen hatten. Niemand von ihnen vermochte zu sagen, wer die Angreifer gewesen waren, geschweige denn, was zu dem Massaker geführt hatte. Alle waren sich einig, dass dies nicht das Werk von Zwergen gewesen sein konnte.
»Ein neuer Feind also«, stellte Narem schließlich fest. »Und zwar einer von einer bislang unbekannten Grausamkeit. Die Krieger des Kleinen Volkes sind gefährliche Gegner, doch selbst sie würden nicht alle Bewohner einer Stadt töten. Es erscheint so … grundlos.«
»Im Osten hatten die Zwerge einige Siedlungen der Eleitam erobert«, erinnerte Deilava die anderen. »Sie haben sie gezwungen, für sie zu arbeiten und ihre Armee mit Nachschub zu versorgen. Kein Vergleich zu den Gräueln hier.«
Es stimmte. Die Zwerge waren im Kampf so eisern wie ihre Waffen und Rüstungen; weder forderten sie Gnade, noch gewährten sie sie. Aber ihr Zorn richtete sich prinzipiell nur gegen andere Krieger. Die unterworfenen Städte und Siedlungen waren weitgehend unzerstört geblieben, weder geplündert noch gebrandschatzt worden.
»Denkt einer von uns, dass wir hier noch mehr herausfinden können?«
Zunächst antwortete niemand auf Narems Frage. Deilava selbst dachte nicht, dass mehr Erkenntnisse zu gewinnen waren, und sie wollte diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Zu ihrer Erleichterung verneinten schließlich alle.
»Dann brechen wir morgen mit dem ersten Licht der Sonne auf.«
»Wohin?«, fragte Selan, ein erfahrener Krieger, der sonst wenig sprach – Deilava konnte sich nicht erinnern, jemals mehr als einige Worte mit ihm gewechselt zu haben, obwohl sie mehr als zwei Sommer gemeinsam gekämpft hatten.
»In dieser Gegend lauert eine Gefahr«, stellte Narem nach kurzem Überlegen fest. »Wir müssen andere warnen. Und wir sollten wieder Krieger versammeln, uns dieser Bedrohung stellen und ihr ein Ende bereiten.«
»Wir müssen Boten in den Wald senden«, stimmte ihm Deilava zu, »und …«
Selan schüttelte den Kopf. »Wir wissen doch gar nichts. Besteht eine Bedrohung für uns? Oder nur für die Steinhäuser der Eleitam?«
Deilava kniff die Augen zusammen. »Macht das einen Unterschied?«
»Ja.«
Seine Antwort überraschte die Elfe, aber sie konnte in den Blicken einiger anderer sehen, dass sie ihm zustimmten. Schon wollte sie protestieren, da sprach er weiter.
»Wir haben lange gekämpft. Wir sind dessen müde. Es gab keine andere Wahl gegen das Kleine Volk. Aber jetzt? Wir können nicht immer die Waffen erheben, wenn andere Streit haben.«
»Streit haben?« Deilava keuchte, dann wies sie in die Richtung von Ke’leth. »Nennst du das ›Streit haben‹? Da wurde eine ganze Stadt ausgelöscht. Es gab Hunderte von Toten!«
»Das ist schrecklich. Aber es ist nicht unsere Stadt. Ich sage, wir warnen die Sippen und sorgen dafür, dass sich die Kunde im Wald verbreitet. Wir finden Krieger, die den Rand des Waldes beobachten.«
Einige Elfen murmelten zustimmend. Entsetzt und wütend blickte Deilava zu Narem.
»Wir sprechen später weiter darüber«, befand ihr Anführer. »Ich will, dass ihr alle überlegt, was ihr für richtig haltet, und mir heute Abend am Feuer sagt, was ihr denkt.«
Alle nickten. Einige wichen Deilavas Blick aus.
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