Die dunklen Engel (German Edition)
den zu tragen er sich weigerte, einen adligen Namen und einen klugen Kopf. Gegen seinen Willen war er zum Priester gemacht worden, und seine adlige Geburt hatte dafür gesorgt, dass er rasch Bischof eines reichen Bistums wurde – ein Aufstieg, dem sein skandalöses, hedonistisches Betragen keineswegs abträglich gewesen war.
Die Revolution in Frankreich hatte ihn, wie Bertrand Marchenoir, bewogen, dem Priestertum den Rücken zu kehren. Er hatte sich geweigert, den Verfassungseid zu leisten, und sein Bischofsamt niedergelegt. Und als das Brandschatzen der stattlichen Herrenhäuser begann und Geschichten über in Stücke gehackte, vergewaltigte und niedergemetzelte Aristokraten in Frankreich die Runde machten, war er mit seiner verwitweten Mutter in das Londoner Haus des Earl of Lazen geflohen. Die Duchesse lebte seitdem von der Wohltätigkeit Lazens, an der sie beharrlich herummäkelte. Onkel Achilles, der unabhängiger war, verdiente sich sein Brot bei der britischen Regierung. Er sprach nicht viel über seine Arbeit, doch Campion wusste von ihrem Vater, dass Achilles d’Auxigny half, die Spitzel aufzustöbern, die als sogenannte Revolutionsflüchtlinge nach England geschmuggelt wurden.
Durch das kleine Schwingtor erreichten sie den Schlossgarten. Campion, die sich bei ihrem Onkel untergehakt hatte, lächelte ihn an. «Ich kann mir dich wirklich nicht als Bischof vorstellen.»
Er tat empört. «Ich war ein allseits beliebter Bischof! Mit meinen exzellenten Predigten habe ich meine Gemeinde so in Angst und Schrecken versetzt, dass alle bereitwillig zur Beichte geeilt sind. Dann habe ich mir ihre Beichten angehört und mir Notizen gemacht, welche Damen Ehebruch begangen hatten. Wenn sie sehr hübsch waren, habe ich sie besucht und ihr Sündenregister noch verlängert, selbstverständlich mit sofortiger Vergebung.» Er lachte über ihre Miene.
Es war das Bestreben seines Vaters gewesen, Achilles d’Auxigny zum Priester zu machen. Achilles’ Vater war in Frankreich als «le duc fou» bekannt gewesen, «der verrückte Herzog». Er hatte geglaubt, Gott zu sein, und zu seiner eigenen Verehrung auf seinem Château d’Auxigny einen Schrein gebaut, in dem er, mittels sorgfältiger mechanischer Kniffe, Wunder vollbrachte. Zweifellos hatte le duc fou gehofft, sein jüngster Sohn würde das Familienevangelium predigen. Stattdessen hatte sein Vater, wie Achilles gerne berichtete, indem er sich selbst für Gott hielt, seine Kinder gelehrt, dass es keinen Gott gab. Jetzt sah er seine Nichte an. «Ich habe deinem Vater immer gesagt, er soll nicht in unsere Familie einheiraten. Wir sind alle ziemlich verrückt.»
«Du nicht.»
Er zuckte die Schultern, als läge ihm nichts daran, darüber zu streiten. «Ich habe mich gerade von deinem Vater verabschiedet. Alle sagen, du hättest an seinem Bein Wunder vollbracht.»
«Ich habe es nur genäht, Onkel.»
«Nur genäht, in der Tat! Ich hätte das nicht gekonnt, ich wäre ohnmächtig geworden.»
Sie lachte und schlug den Weg zum Zierteich ein. Er beschwerte sich, es werde regnen und er habe weder Hut noch Schirm, noch Mantel, noch Handschuhe. Am Ende willigte er jedoch ein, sie zu begleiten.
«Ich hoffe, Lucille kann sich an eure englische Lebensweise gewöhnen», sagte er zweifelnd. «Pferde und Spaziergänge. Äußerst unzivilisiert.»
«Sie wird zu sehr damit beschäftigt sein, Kinder zu bekommen», sagte Campion. In der nächsten Woche wurde ihr Bruder mit seiner Braut erwartet. «Viele Kinder.»
«Wie absolut furchtbar. Ich hasse Kinder.»
Sie lachte, denn das mochte sie ihm einfach nicht glauben. Achilles d’Auxigny betrachtete sie, wie sie sich bewegte. Für ihn war sie das schönste Geschöpf, dem er je begegnet war. Seine Schwester war schön gewesen, und aus ihrer Verbindung mit dem fünften Earl of Lazen war diese außergewöhnliche junge Frau hervorgegangen. Haar so golden wie blasser Weizen, Augen so blau wie das Kleid der Jungfrau Maria, ein Gesicht mit ausgeprägten Zügen, die der Mund weich machte, und eine unbestimmte Aura von Güte, von der sie selbst jedoch nichts zu wissen schien. Sie hatte die reinste Haut, die er je gesehen hatte, und vor Glück strahlende Augen – kurzum, sie war eine junge Frau von zarter, wunderbarer Schönheit. Er drückte ihren Arm. «Wann wirst du heiraten, Campion?»
Sie lächelte über die Frage. «Du gibst wohl nie auf, Onkel, n’est-ce pas ?»
«Es gibt Hunderte junger Männer, die dir ihre Seele zu Füßen legen
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