Die dunklen Engel (German Edition)
ist es viel schwerer.»
«Was redest du da, Onkel?»
«Ach, nichts!» Mit seinem gebänderten Spazierstock malte er in die Luft. «Nur dass er ein gutaussehender Bursche war, und dass dein Gesicht ziemlich so ausgesehen hat wie das der langweiligen kleinen Jeanne d’Arc, als sie ihre langweiligen Stimmen hörte.» Er lächelte sie an. «Nimm ihn dir heimlich als Liebhaber.»
«Onkel!»
Er lachte. «Ich schockiere dich doch zu gerne. Vielleicht sollte ich dir einen Ehemann suchen, der aussieht wie der Zigeuner, ja?» Er lachte wieder.
Zu ihrer Erleichterung gingen die ersten Tropfen eines Regenschauers über der Auffahrt nieder, und ihr Onkel vergaß über der schrecklichen Katastrophe den Zigeuner. «Mein Mantel ist ruiniert!»
«Lauf!»
«Laufen ist so unelegant.»
«Dann bist du eben unelegant.» Lachend zog sie ihn am Arm und raffte ihre Röcke. Sie liefen an der alten Kirche vorbei direkt zum Gartentor des Alten Hauses.
«Mon dieu, mon dieu, mon dieu!» Sobald sie in der Halle stehen blieben, rieb Achilles d’Auxigny an den Ärmeln seines grauen Samtmantels. Die Ärmel hatten kaum ein paar Tropfen abbekommen, und doch seufzte er, als wäre er nass geworden bis auf die Haut. «Letzten Monat war er neu!»
«Es ist nichts drangekommen, Onkel!»
«Wie wenig ihr jungen Frauen über Kleider wisst.» Er schüttelte seine Spitzenmanschetten und lauschte, als die Uhr die volle Stunde schlug. Er seufzte. «Elf Uhr. Ich muss aufbrechen. Komm und sag mir Lebewohl.»
«Du kommst bald zurück?»
«Zu Weihnachten.» Er lächelte. «Oder zu deiner Hochzeit, sollte die früher sein.»
Sie lächelte, reckte sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. «Dann sehen wir uns an Weihnachten.»
Er lachte, und sie gingen zum Eingang, wo seine Kutsche wartete. Campion war erstaunt, was für eine Wirkung ein einziger Blick auf ihre sonst so vernünftige Seele haben konnte. Wer der große Mann wohl war, der ritt wie ein Eroberer und in die Welt blickte wie ein König?
Onkel Achilles reiste ab. Die Dienstboten, die sich unter dem Portikus in einer Reihe aufgestellt hatten, waren dankbar für die Geschenke, die er für sie dagelassen hatte. Campion konnte seine schlanke, beringte Hand hinter dem Fenster winken sehen, dann zogen die Pferde die Kutsche hinaus in den Regen, und er war verschwunden.
«Mylady?» William Carline, der Verwalter von Lazen, ein Mann von großer Würde, verbeugte sich leicht vor ihr.
«Carline?»
«Ein äußerst seltsamer Herr wünscht Sie zu sprechen, ein Fremder. Er besteht darauf. Wie er behauptet, bringt er eine Nachricht von Lord Werlatton.» Carlines Naserümpfen deutete an, dass einem Fremden nicht zu trauen war.
Der Zigeuner. Sie spürte, wie ihr Herz einen Satz machte, und schämte sich augenblicklich – umso mehr, da sie überzeugt war, dass Carline ihre Verwirrung bemerkte. Doch sein breites, blasses Gesicht verriet mit keiner Regung, dass irgendetwas vorgefallen war. Sie nickte zum Dank und sagte betont beiläufig: «Bitten Sie Mrs. Hutchinson, zu mir in die Galerie zu kommen, und schicken Sie ihn dorthin.»
«Sehr wohl, Mylady.» Erneut verbeugte Carline sich leicht und gab den Dienstboten mit einer gebieterischen Geste zu verstehen, dass sie entlassen waren.
Campion war ganz aufgeregt, als sie sich umwandte, um zur langen Galerie zu gehen, und zugleich verwundert. Nur einen kurzen Blick hatte sie auf einen Mann geworfen, einen Zigeuner, der offensichtlich ein Diener ihres Bruders war, und dieser eine Blick hatte sie mit einer seltsam prickelnden Vorahnung erfüllt. Während sie noch auf Mrs. Hutchinson, ihre Gesellschafterin, wartete, schämte sie sich, dass sie sich von einem Mann, der gesellschaftlich unter ihr stand, so beeindrucken ließ.
Doch ob das nun Unsinn war oder nicht, als ein Diener die Tür öffnete, damit der Zigeuner eintreten konnte, klopfte ihr Herz vor Vorfreude und Aufregung einige Takte schneller.
Der Zigeuner war nach Lazen gekommen.
Als er die lange Galerie betrat und ihre getäfelte Pracht durchschritt, war Campion von der arroganten Stattlichkeit des Mannes erneut wie vom Donner gerührt. «Madame.» Er verbeugte sich vor ihr und hielt ihr einen versiegelten Brief hin. «Ich komme von Ihrem Bruder, votre cher frère. »
Sie nahm den Brief entgegen und überlegte, wo ein französischer Diener, ein Zigeuner, gelernt hatte, sich mit solcher Selbstsicherheit in imposanten Hallen zu bewegen.
Die Frage beschäftigte sie jedoch nicht lange, denn Tobys
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